Süddeutsche Zeitung

Nach der Terrorwarnung:Wenn am Bahnhof die Gitter runtergehen

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Die Terrorwarnung von Innenminister de Maizière und ihre Folgen: In München verstärkt die Polizei die Kontrollen sichtbar - und sperrt den Bahnhof teilweise ab.

K. Riedel, B. Goormann, M. Szymanski und S. Wimmer

Um 15.18 Uhr gingen die stählernen Rolltore an den Seiteneingängen des Hauptbahnhofs hinunter. Und dort sollen sie bis auf weiteres auch bleiben. Denn die akute Terrorgefahr, die Bundesinnenminister Thomas de Maizière am Mittwochmittag für das gesamte Bundesgebiet öffentlich gemacht hatte, hat auch für den Großraum München sichtbare Folgen. Neben dem Hauptbahnhof soll auch der Münchner Flughafen verstärkt kontrolliert werden. An den Bahnhöfen in Nürnberg, Augsburg, Ingolstadt und Ansbach sind ebenfalls verstärkte Kontrollen geplant.

In München hat die Inspektion der Bundespolizei ihre Kräfte umverteilt, 75 Beamte sind derzeit im Gebiet des S-Bahn-Netzes eingesetzt, Verstärkung ist bereits angefordert. Am Hauptbahnhof waren uniformierte Beamte an den Eingängen postiert, die durch die heruntergelassenen Rolltore verengt wurden. An diesen Eingängen kontrollierten die Beamten Reisende, die in eine bestimmtes Profil passen. Sie ließen sich Reisedokumente und Taschen zeigen. Auch Sprengstoffhunde seien im Einsatz sowie Schutzhunde, die gegen gewalttätige Störer eingreifen könnten, sagte der Münchner Inspektionsleiter Jürgen Vanselow. Zudem werde an Metalldetektoren an den verengten Zugängen gedacht. Deutlicher zeigen will sich die Bundespolizei auch an weiteren S-Bahnhöfen und in den Zügen.

Verstärkt wird die Bundespolizei durch Zivilkräfte, durch die Landespolizei, die Sicherheitskräfte der Deutschen Bahn und auch die Berufsfeuerwehr. Diese hat angeboten, beim Auffinden gefährlicher Chemikalien zu helfen. "Einhundertprozentige Sicherheit gibt es aber nur im Himmel", sagte Vanselow. Angst müsse dennoch niemand haben. Ein Sprecher der Bundespolizei betonte, dass die Terrorgefahr in München derzeit nicht höher sei als in anderen Großstädten im Bundesgebiet.

Herrmann: Kein Anlass, in Panik zu verfallen

"Wir sind zurzeit noch wachsamer, als wir es ohnehin schon sind", sagte Matthias Knott, Sprecher der Bundespolizei am Münchner Flughafen. Sichtbar ist die erhöhte Aufmerksamkeit der Beamten durch ihre Ausstattung. Sie patrouillieren derzeit mit zusätzlichen Schutzwesten und Maschinenpistolen über das Flughafengelände. Über weitere Maßnahmen wollte sich Knott nicht äußern. Man will möglichen Attentätern keine Hinweise geben, wie das Sicherheitssystem am Flughafen zu knacken ist. Bei der Lufthansa würden seit den Anschlägen vom 11. September ohnehin die höchsten Sicherstandards gelten, die es seit Bestehen der Luftfahrt gebe, betonte Sprecherin Bettina Rittberger. "Und dieser Level ist auch nie wieder abgesenkt worden". Dazu gehöre beispielsweise, dass Koffer eines Passagiers, der eingecheckt, aber nicht im Flugzeug erschienen sei, sofort wieder ausgeladen würden.

Bayerns Innenminister Joachim Herrmann betonte, die Bedrohung müsse ernst genommen werden, es gebe jedoch keinen Anlass "in Panik und Angst zu verfallen". Nach Herrmanns Worten gibt es keine konkreten Hinweise, dass es mögliche Attentäter auf die Weihnachtsmärkte abgesehen hätten. "Es gibt keinen Anlass, Veranstaltungen zu meiden oder abzusagen", sagte Herrmann.

Peter Dathe, Präsident des Bayerischen Landeskriminalamtes, ist von der Einschätzung der Bedrohungslage nicht überrascht. Die Paketbomben in der Luftfracht, die Erkenntnisse der Nachrichtendienste sowie die verstärkte Aus- und Einreisetätigkeit in Richtung Afghanistan ließen Schlüsse auf einen geplanten Terrorakt zu. "Das Grundrauschen wird immer stärker", so Dathe.

Der Münchner Polizeipräsident Wilhelm Schmidbauer kündigte verstärkte Überwachungsmaßnahmen an. Bislang gebe es aber keine Erkenntnisse, dass sich Teilnehmer aus Terrorlagern in München aufhielten.

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Quelle:
SZ vom 18.11.2010
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