Süddeutsche Zeitung

Prävention:Stadt will Sozialarbeit an den Grundschulen verstärken

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Von Jakob Wetzel

Es hat lange gedauert. Bereits im Dezember 2017 haben die Grünen im Münchner Stadtrat eine umfassende Strategie gegen Mobbing angemahnt. Um eine solche zu erarbeiten, solle die Stadt das Know-how der freien Träger der Jugendhilfe nutzen und deren Angebot aufstocken, es bestehe dringender Handlungsbedarf, hieß es im Antrag. Doch danach verging fast ein Jahr, bis im Stadtrat überhaupt darüber beraten werden sollte - und in der Vorlage des Sozialreferats war weder die Rede von einer umfassenden Strategie noch von Geld. Es geschehe schon sehr viel, hieß es vielmehr. Das Thema solle "im Rahmen der bestehenden Gremien und Strukturen" vertieft weiter behandelt werden.

Jetzt - einen Protest der Jugendhilfeträger, eine Vertagung durch die Stadträte und ein weiteres Jahr später - ist nicht mehr die Rede von einem "Weiter so!": Anfang November haben die zuständigen Ausschüsse des Stadtrats beschlossen, mehr Geld in das Miteinander an Schulen zu investieren. Wenn das Plenum am 27. November zustimmt, gibt die Stadt künftig zusätzliche 6,5 Millionen Euro im Jahr für Sozialarbeit sowie für Projekte zur Prävention und zur Intervention gegen Mobbing aus.

Der Beschluss habe deshalb so lange gedauert, weil man nicht nur ein paar Projekte zur Gewaltprävention habe fördern, sondern umfassender denken und die Sozialarbeit habe stärken wollen - und das sei gelungen, sagt Christian Müller, Fraktionsvorsitzender und jugendpolitischer Sprecher der SPD im Rathaus. So soll der größte Teil des Geldes dafür verwendet werden, mehr Grundschulen als bisher mit Schul- und Jugendsozialarbeitern auszustatten. An 48 der insgesamt 137 Grundschulen in der Stadt seien bereits Sozialarbeiter tätig, rechnet das Sozialreferat im Beschluss vor. 29 weitere Grundschulen hätten eine Verstärkung beantragt, in 25 Fällen wolle man dem entsprechen.

Der Bedarf sei "stetig gestiegen". Schuld seien unter anderem geringe Deutschkenntnisse sowie "immer häufiger" auch die "unzureichende Erziehungskompetenz" der Eltern, schreibt das Referat. Schulen mit günstigeren sozialen Bedingungen sollen keine eigenen Sozialarbeiter bekommen. Stattdessen schlägt das Sozialreferat vor, dass die bestehenden Erziehungsberatungsstellen dort künftig feste Sprechzeiten anbieten.

Darüber hinaus sollen die Zuschüsse an die freien Träger der Jugendhilfe, die sich im Arbeitskreis Gewaltprävention zusammengeschlossen haben, erhöht werden, wenngleich um nur 5000 Euro pro Jahr. Und es soll ein neues, schulartübergreifendes Projekt zur Mobbing-Intervention ausgeschrieben werden. Vorerst für drei Jahre soll ein Modellprojekt für 600 000 Euro konzipiert werden. Den Vorschlag der Grünen, dieses von der Stadt und dem Arbeitskreis Gewaltprävention gemeinsam erarbeiten zu lassen, lehnte der Stadtrat ab. Die Mitglieder des Arbeitskreises könnten sich aber bewerben, einzeln oder im Verbund.

Der Arbeitskreis leiste gute Arbeit, deshalb hätte man gerne seine Erfahrung genutzt, sagt Jutta Koller, Bildungspolitikerin der Grünen. Immerhin, verglichen mit der zuvor so zögerlichen Haltung der Stadt sei der gefasste Beschluss nun "ein großer Schritt in die richtige Richtung". Es sei aber noch viel Überzeugungsarbeit nötig, bis alle Seiten das Problem Mobbing wirklich ernst nähmen, sagt Koller.

"Es ist gut, dass sich überhaupt etwas bewegt", sagt eine CSU-Sprecherin

Ähnlich äußert sich die CSU: "Genug kann das nie sein", sagt die bildungspolitische Sprecherin Beatrix Burkhardt. Aber die Sozialarbeit sei künftig zumindest etwas flächendeckender an den Schulen präsent. "Es ist gut, dass es sich überhaupt ein bisschen bewegt", sagt sie. Und es sei wichtig, Mobbing auch außerhalb der Schule in den Blick zu nehmen: "Wir müssen die Kinder in ihrer Gesamtheit sehen."

An der Schule gebe es aber weiterhin Handlungsbedarf, sagt SPD-Fraktionschef Müller. "Was fehlt, ist das Engagement des Freistaats." Es sei zu wenig, wenn sich nur die städtische Jugendhilfe bemühe, während die Schulen Mobbing allzu oft zuließen. Der Freistaat könne bei der Lehrerausbildung ansetzen oder den Lehrplan entzerren, damit die Klassen mehr Zeit für ein Miteinander bekämen.

Der Arbeitskreis Gewaltprävention, der sein zehnjähriges Bestehen feiert, will sich nun umbenennen: in "Arbeitskreis Gewaltprävention und Intervention". Das sei nicht neu, "wir machen schon immer mehr als nur Prävention", sagt Sprecher Robert Pechhacker. Aber das sei vielen nicht bewusst.

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SZ vom 20.11.2019
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