Süddeutsche Zeitung

Münchner Momente:Das Rathaus geht baden

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In ferner Zukunft könnte das Loch im Marienhof mit Wasser gefüllt und als Schwimmbecken eingeweiht sein. Dann wird sich selbst der Badegastverband Pro Bad nicht mehr daran erinnern können, wofür es einst gegraben worden war.

Glosse von Andreas Schubert

2048: 26 Jahre nachdem der Landtag ihm zuliebe die Altersgrenze für Stadtoberhäupter gekippt hat, hat Münchens Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) pünktlich zu seinem 90. Geburtstag das neue Marienbad hinter dem Rathaus eingeweiht. Für dessen Bau hatte die Stadt ein vorhandenes Loch am Marienhof genutzt, von dem keiner mehr so richtig wusste, wofür es ursprünglich mal gegraben worden war.

Mit dem neuen, 40 Meter tiefen Schwimmbecken konnte die Stadt endlich einem uralten SPD-Antrag aus dem Jahr 2018 für mehr Bäder in der Stadt entsprechen. Der Bau hatte sich wegen jahrelanger Streitigkeiten in der Rathauskoalition verzögert, weil die Grünen an der Stelle lieber eine Fahrradtiefgarage gebaut hätten. Doch die Sozialdemokraten waren aus der Koalitionsdisziplin ausgeschert und hatten zusammen mit einer Allianz aus CSU, FDP, DLRG und dem Badegastverband Pro Bad einen Bürgerentscheid initiiert. Das "Noch viel bessere Bürgerbegehren" der Radllobby war zwar auch erfolgreich. Weil die Abstimmung aber im Hochsommer 2028 bei 45 Grad Celsius stattfand, bekam das Bad bei der Stichfrage eine knappe Mehrheit. Die Wahlbeteiligung lag bei 33 Prozent, der Rest der Stimmberechtigten lag irgendwo am See.

Dass nach dem Bürgerentscheid noch 20 Jahre bis zur Fertigstellung des Marienbads vergehen sollten, lag an mehreren kurzfristig notwendigen Optimierungen, wie die Stadtwerke es nannten. So musste mehrmals die Anordnung des Bademeisterhochsitzes, der Duschanlagen, Umkleidekabinen und Pommesstände geändert, die Trasse der Rutsche mehrmals angepasst werden. Als weitere Bremse des Planungsfortschritts erwies sich die Auswahl der Fliesen, gegen die die Stadtgestaltungskommission wiederholt Einspruch einlegte.

Auch der allgemeine Fliesenlegermangel verzögerte das Projekt immer wieder, mehrere Ausschreibungen mussten wiederholt werden. Nachdem die Baukosten ins Unermessliche explodiert waren, fühlten sich die Kritiker bestätigt, die lange und vehement einen Ausbau des Südbads sowie eine Ertüchtigung des Nordbads gefordert und das Projekt am Rathaus als Milliardengrab bezeichnet hatten.

Der OB lobte das Marienbad als Leuchtturmprojekt, das auch noch späteren Generationen als Vorbild dienen werde. Gleichwohl betonte er, dass es mit dem Bad alleine nicht getan sei. Doch für weitere Maßnahmen zur öffentlichen Naherfrischung fehle momentan das Geld. Hier seien Bund und Freistaat in der Pflicht, sagte Reiter, bevor er nach einem herzhaften "Oplanscht is" vom Dreimeterbrett ins Wasser hechtete.

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