Süddeutsche Zeitung

Landgericht München II:Vermeintlicher Hellseher setzt sich offenbar ab

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Der Mann steht vor Gericht, weil er eine Frau um eine Millionensumme betrogen haben soll. Zum zweiten Prozesstag erscheint der Angeklagte nicht - und ist an seiner Münchner Adresse auch nicht zu finden.

Ein Prozess gegen einen 47-jährigen vermeintlichen Hellseher hatte erst am Dienstag vor dem Landgericht München II begonnen - und musste schon am zweiten Verhandlungstag ausgesetzt werden. Der Grund: Der Angeklagte und seine ebenfalls beschuldigte Ehefrau sind nicht vor Gericht erschienen. Unentschuldigt, wie Gerichtssprecher Laurent Lafleur auf SZ-Anfrage mitteilt. Die Kammer prüfe nun, ob die Voraussetzungen für einen Haftbefehl vorliegen.

Laut seinem Anwalt Ömer Sahinci habe der Angeklagte am Telefon gesagt, er sei krank und habe danach gleich aufgelegt. Die Polizei, die das Ehepaar zur Verhandlung vorführen sollte, traf an deren Adresse aber niemanden an. Eine Bekannte der Angeklagten habe ebenfalls versucht, die beiden zu erreichen. Ihr sagten die Angeklagten demnach, sie seien krank in der Türkei.

Beschuldigt wird der 47-Jährige wegen gewerbsmäßigen Betrugs in 62 Fällen. Seine 39 Jahre alte Ehefrau ist wegen Beihilfe dazu in 18 Fällen angeklagt. Der Mann soll jahrelang den Aberglauben einer wohlhabenden Frau ausgenutzt und sie so um eine Millionensumme gebracht haben.

Laut Staatsanwaltschaft spielte der 47-Jährige seinem mutmaßlichen Opfer vor, ein Medium zu sein, das Segen bringen und Schande von ihr und ihrer Familie fernhalten könne. Angeblich um Unglücke zu verhindern, soll der Angeklagte geheimnisvolle Rituale ausgeführt haben. Jahrelang soll das Paar die Frau ausgebeutet haben, die ersten Taten gehen demnach bis in das Jahr 2011 zurück. Angeklagt sind aber nur Vorfälle seit 2018.

Der 47-Jährige verweigerte zu Prozessbeginn die Aussage. Seinem Verteidiger gegenüber habe er sie pauschal abgestritten, fasste der Vorsitzende Richter nach einem Rechtsgespräch zusammen. Zu einem sogenannten Deal kam es zunächst nicht. Die Staatsanwaltschaft gab nach Gerichtsangaben in diesem Gespräch zu verstehen, dass sie sich eine Strafe von sieben Jahren für den Mann vorstellen kann - vier bis fünf bei einem umfassenden Geständnis.

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