Süddeutsche Zeitung

OB-Wahl in München:Anpacken kommt an

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Dieter Reiters Wahlsieg allein den unsicheren Corona-Zeiten zuzuschreiben, wäre unfair. Der Oberbürgermeister hat schon früher gezeigt, dass er lieber handelt als allzu lange sinnlos herumzuprüfen.

Kommentar von Dominik Hutter

Dass in München keine Wechselstimmung herrscht, war schon den ganzen Wahlkampf über spürbar. Es wäre daher ungerecht, den durchaus beeindruckenden Sieg Dieter Reiters in der Stichwahl allein dem Coronavirus zuzuschreiben. Klar, in Krisenzeiten setzt man gerne auf Altbewährtes, auf eingearbeitete Problemlöser. Tatsächlich aber kehrte das für den Oberbürgermeister höchst anstrengende Corona-Management wohl eher die Eigenschaften heraus, die die Münchner ohnehin seit Jahren an ihm schätzen: handeln statt labern, eher mal hemdsärmelig etwas zusagen als, allzu lange sinnlos herumzuprüfen.

Man kann Reiter an der Imbissbude begegnen - oder bei einer Festrede im würdigen Rahmen. Er schlägt sich wacker bei öffentlichen Bürgersprechstunden. Und es geht auch etwas voran, Beispiele gibt es genug. Vermutlich sahen die Bürger einfach keinen Grund, warum man Reiter abwählen und durch jemand anderen ersetzen sollte.

Seiner CSU-Konkurrentin Kristina Frank kann man eigentlich keine persönlichen Defizite im Wahlkampf vorwerfen. Die Kommunalreferentin und politische Senkrechtstarterin hat wacker gekämpft. Nur war eben der Spagat, der von ihr verlangt wurde, nicht zu schaffen. Für die konservative CSU-Herren-Klientel war eine Frau, die fürs Radfahren wirbt, als Wahlkampfvehikel eine Adria-Rikscha verwendet und gerne Yoga auf dem Dach ihrer Behörde macht, von Anfang an harte Kost. Braucht es das, lautet da vermutlich die Frage, die an konservativen Stammtischen aufgeworfen wird.

Es passt halt auch nur schlecht zusammen, mit eher harschen Slogans gegen das Radfahren zu wettern und dann selbst mit diesem Fortbewegungsmittel immer wieder auf Wahlkampfvideos zu posieren. Für Teile der klassischen CSU-Stammwählerschaft dürfte Frank - trotz gelegentlicher Bemühungen um ein traditionsverhaftetes Auftreten - schlicht zu stylish-modern und auf Außenwirkung bedacht sein. Zu jung möglicherweise. Und vielleicht auch zu weiblich. Da war der liberale Großstadtkonservatismus eines Josef Schmid leichter nachzuvollziehen.

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SZ vom 31.03.2020
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