Süddeutsche Zeitung

Heuschnupfen:Hände weg von den Birken!

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Das dürfte Allergiker interessieren: Man muss als gar nicht alle Birken umhauen und anzünden, wie es die Neandertaler taten. Es reicht völlig, sie erst leer zu trinken und danach aufzuessen.

Glosse von Stefan Simon

Schon die Neandertaler wussten, dass Birken Pech bringen. Sie hauten die Bäume deshalb einfach um, zündeten sie an und ließen sie eine Weile kokeln. Aus der Sicht von Allergikern ist das zwar sehr lobenswert. Doch das Abfackeln von Bäumen geriet über die Jahrzehntausende trotzdem irgendwie in Verruf. Und weil gleichzeitig niemand mehr Birkenpech braucht, machten die Bäume Karriere: vom Klebstofflieferanten der Altsteinzeit zu einer der führenden Plagen der Menschheit.

Man muss sich nur einmal umsehen in den Münchner Parks und Wäldern, alles ist dort voller Birken. Zwar reagiert inzwischen bereits die Hälfte aller Heuschnupfengeplagten auf Birkenpollen. Doch alle anderen pflanzen die Bäume unverdrossen weiter.

Weiße Rinde, rote Augen, eigentlich eine einfache Gleichung, selbst wenn das Home-Office in diesem Frühjahr viel Leid kaschiert. Sobald Augen und Nase um die Wette triefen, macht man in der Videokonferenz die Kamera und das Mikrofon freiwillig aus. Und unbeobachtet von den Kolleginnen und Kollegen ist es dann ein Leichtes, abzuschweifen und im Internet nach dem Sinn des Lebens zu googeln. Dem Sinn des Lebens von Birken.

Schnell ist man bei Wilhelm Busch: "Man zapfet aus der Birke / Sehr angenehmen Wein, / Man reibt sich, daß es wirke, / Die Glatze damit ein." Aus dem Holz kann man außerdem Zucker machen, aus den Blättern Salat, Gewürz und Tee. Erkenntnis des Tages: Man muss gar nicht alle Birken umhauen. Es reicht völlig, sie erst leer zu trinken und danach aufzuessen.

Eine Birke sollte man indessen aufheben, für den Weltfrieden. Glaubt man den alten Sagen, wird die Menschheit eines Tages ihren letzten Kampf austragen: die "Weltenschlacht am Birkenbaum". Danach, so will es die Legende, gibt es nie wieder Krieg, endlich. Leider ist es eine Unart von Sehern und Propheten, dass sie bei solchen Geschichten meist sehr vage bleiben.

Wer wird sich da bekriegen, Allergiker und Baumschützer? Bewerfen sie sich mit Taschentüchern und Nasensprays? Und wo soll das überhaupt stattfinden? Die Westfalen behaupten: zwischen Werl und Unna. Aber das ist angesichts der hohen Inzidenzzahlen dort gar nicht vorstellbar. Das würde doch nur eine Geisterschlacht ohne Publikum! München stünde als Gastgeber sicher gerne bereit. 15 000 Zuschauer, das müsste gehen. Nach der Fußball-EM weiß man sicher mehr. Bis dahin bitte: Hände weg von den Birken! Vielleicht bringen sie ja doch Glück.

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Quelle:
SZ vom 29.04.2021
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