Süddeutsche Zeitung

Politik:Die Münchner Grünen suchen einen neuen Vorstand

Lesezeit: 3 min

Vier von sechs Ämtern sind neu zu vergeben. Auf die neuen Vorsitzenden wartet viel Arbeit: Die Partei hat in München etwa so viele Mitglieder wie in Brandenburg, Thüringen und Sachsen-Anhalt zusammen.

Von Anna Hoben, München

Sie waren die großen Gewinner bei der Kommunalwahl im März, im Rathaus stellen die Grünen mit 23 Stadträtinnen und Stadträten die größte Fraktion. Nun sortiert sich die Partei neu und sucht wieder einmal einen neuen Stadtvorstand. Vier von sechs Ämtern sind bei einem Parteitag am 19. September neu zu vergeben. Die bisherigen Vorsitzenden Gülseren Demirel und Dominik Krause hören auf, ebenso der bisherige Schatzmeister Christian Smolka und die Beisitzerin Julia Post. Beide sind im Frühjahr erstmals in den Stadtrat eingezogen, in dem auch Dominik Krause sitzt, als Vize-Fraktionschef.

Die Grünen haben traditionell eine gleichberechtigte Doppelspitze mit einem Mann und einer Frau. Die Landtagsabgeordnete Demirel war im November zur Stadtchefin gewählt worden und hatte sich von Anfang an als Interimsvorsitzende gesehen - für die Kommunalwahl und die Koalitionsverhandlungen. Auch Krause gibt an, er habe im März 2019 hauptsächlich wegen des Wahlkampfs als Vorsitzender kandidiert.

Regulär würde seine Amtszeit im März aufhören. Nun eben schon im September - bei einem Corona-bedingt speziellen und aufwendigen Parteitag, der an mehreren Orten stattfinden soll: in der Muffathalle, im Ampere, im dortigen Außenbereich und an einem weiteren Ort in der Nähe. Es soll Übertragungen zwischen den Räumen geben und elektronische Stimmgeräte, damit niemand umhergehen und Zettel einsammeln muss.

Für Krauses Nachfolge haben bisher zwei Männer ihre Kandidatur eingereicht. Joel Keilhauer war Ende Juli der erste. Der 28-Jährige ist seit 2009 bei den Grünen, er arbeitet als persönlicher Referent der Landtagsabgeordneten Verena Osgyan und als organisatorischer Geschäftsführer der Grünen Jugend Bayern. Als Vorsitzender wolle er für eine "gerechtere, ökologischere, feministischere und bunte Stadt" kämpfen, sagt er - in seinem Bewerbungsschreiben nennt er Feminismus, den Kampf gegen rechts und Mobilität als seine Schwerpunkte. Nach dem Kommunalwahlkampf befindet Keilhauer sich nun also wieder im Wahlkampf, diesmal parteiintern.

Sein Konkurrent ist Arne Brach, Fraktionssprecher im Bezirksausschuss Ludwigsvorstadt-Isarvorstadt. Brach, 43, arbeitet ebenfalls im Landtag, als Mitarbeiter der Abgeordneten Sanne Kurz. Tierschutz und Ernährung - Brach versucht, vegan zu leben - sowie die Queerpolitik sind seine Herzensthemen. Die Basisdemokratie sei in den vergangenen Jahren an ihre Grenzen gestoßen, sagt er zudem - wegen der vielen Wahlkämpfe und des Wachstums in der Partei. Es müsse wieder mehr um Positionen gerungen werden.

Der Terminkalender eines Managers kombiniert mit dem Gehalt eines Praktikanten

Neben den Inhalten wird es jedoch vor allem die dringend nötige Strukturreform sein, welche die künftigen Vorsitzenden beschäftigen wird. Vor sieben Jahren hatten die Münchner Grünen noch 1250 Mitglieder; mittlerweile sind es 3100. Die Strukturen haben indes mit dem enormen Wachstum nicht mitgehalten. Und so führen sechs Ehrenamtliche einen Kreisverband, der ungefähr so viele Mitglieder hat wie die Landesverbände Brandenburg, Thüringen und Sachsen-Anhalt zusammen.

Ein früherer Münchner Grünen-Vorsitzender sagte einmal, das Amt bedeute, den Terminkalender eines Managers und gleichzeitig das Gehalt eines Praktikanten zu haben. Als Entlastung denkbar wäre etwa, den Vorstand zu erweitern oder Vorstandsmitglieder zu Sprechern für bestimmte Themen zu machen. Für solche und andere strukturelle Überlegungen haben die Grünen vor anderthalb Jahren eine Strukturkommission gewählt, die zuletzt wegen des Kommunalwahlkampfs und wegen Corona etwas brachlag.

Im Oktober soll es einen digitalen Workshop zur Neustrukturierung geben. Die Vorschläge werden dann in den Ortsverbänden präsentiert. Bis konkret Veränderungen beschlossen werden, wird noch ein halbes Jahr vergehen.

Die Neuaufstellung ist auch das, was Ursula Harper reizt, eine von bisher zwei Frauen, die für den Vorsitz kandidieren wollen und die beide ihre Bewerbungen am kommenden Montag einreichen. "Ich finde es einen interessanten Job", sagt Harper, 54, eine frei schaffende Illustratorin, die seit 2017 Parteimitglied ist und seit dem Frühjahr im Bezirksausschuss Moosach sitzt. Die beiden männlichen Kandidaten hätten viel Erfahrung, dazu sie als relativ neues Mitglied - das würde gut passen, findet sie.

Ihre Konkurrentin ist Kornelia Wagner, 58, seit einem Jahr bei den Grünen, frei schaffende Künstlerin. Kultur, Soziales, Integration und Inklusion sind ihre Themen - aber auch beim Feminismus gebe es noch viel zu tun. Frauen seien in der Corona-Krise benachteiligt gewesen, "das führt auch dazu, dass manche nicht kandidieren, weil sie sagen, sie bekommen das nicht gewuppt, Familie, Arbeit, Politik". Auch deshalb will sie das jetzt machen.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.5004969
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 21.08.2020
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.