Süddeutsche Zeitung

Münchner Momente:Die Krux mit dem Wackeltisch

Lesezeit: 1 min

Bierdeckel im Freien sind nicht nur als Unterlage für Getränke wichtig. Welch außergewöhnliche Varianten möglich sind, sieht man etwa im Fugazi am Baldeplatz.

Glosse von Philipp Crone

Manchmal sind es vermeintliche Kleinstigkeiten, über die man sich am allerbesten ärgern kann. Muss ausgerechnet in der eigenen Kassenschlange vor einem die ältere Dame stehen, die selbstverständlich zielsicher ihr von Münzen ausgebeultes Oma-Portemonnaie öffnet, um in aller Ruhe diverse Centstücke rauszupflücken? Auch eine vorbeifahrende Trambahn kann zu einem Wutmoment führen mit dem sehr naheliegenden und völlig richtigen Gedanken: Natürlich fährt die ausgerechnet jetzt quer, wenn ich hier stehe und deshalb nun warten muss. Wobei die unschlagbarste Kleinigkeit, die am sichersten zu schlechter Laune führt, noch immer der Wackeltisch ist.

Ein leicht verbogenes Gestell oder ein leicht unebener Untergrund, und schon setzt sich der Gast, der im Geiste bereits das kühle Getränk vor sich stehen hat, an einen der raren freien Tische, legt einen Arm auf der Tischfläche ab und dann das: Kippeln. Erster Reflex: Fuß auf eines der Stuhlbeine aufsetzen, Tisch dadurch beschweren und das Ärgernis von da an ignorieren. Fast immer allerdings muss sich der Gast doch irgendwann einmal bewegen, und im Zweifel hat er dann das Kippeln vergessen, das Getränk bestellt und greift (zweiter Reflex) dann gerade noch so ans Glas, ehe es überschwappt.

Nächster Reflex: Blick auf die Stuhlbeine, Identifikation des in der Luft hängenden Vertreters, Blick auf den Tisch für etwaiges Füllmaterial. Es gibt Münchner, die einen Bierdeckel fünf Mal falten können. Oder man macht es gleich so wie die Kollegen im Fugazi am Baldeplatz. Da stehen auf dem Bürgersteig zur Isar einzelne Tische und man erkennt schon von Weitem, dass hier Kippel-Allergiker keine Freude an einem Feierabendbier hätten. Der Bürgersteig fällt an einer Stelle unter anderem zur Straße hin ab, was die Fugazianer mit besagter bayerischer Bierdeckellösung in den Griff bekommen haben. Sie haben aber der Einfachheit halber gleich ganze Bierdeckel untergelegt, an beiden Fußbeinen sind es jeweils 29 Stück.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.5380403
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 13.08.2021
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.