Süddeutsche Zeitung

Gentrifizierung:In Untersendling war die Welt noch in Ordnung

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In der Danklstraße und Umliegendem wähnte man sich bisher sicher, dass die Gentrifizierung dort noch nicht angekommen ist. Ein Irrtum, wie sich nun herausstellt.

Kolumne von Karl Forster

"Edel" wäre als Adjektiv vielleicht ein wenig übertrieben. Aber "hübsch" geht auf alle Fälle, besser ist vielleicht noch "angenehm", und am allerbesten passt "münchnerisch gemütlich". Hier, in Untersendlings Danklstraße und Umliegendem, ist, wie man so sagt, die Welt noch in Ordnung. Einigermaßen wenigstens. In der Bäckerei ums Eck wird Bairisch gesprochen. Im Tabakladen gibt's auch Kaffee und leicht mediterranen Sound in der Sprache. Bei den Restaurants im näheren Umkreis dominieren Pasta und Pizza vor Ente vietnamesisch und Schweinsbraten. Und die U-Bahn hält quasi vor der Haustüre.

Wer das Glück hat, hier eine Bleibe zu finden, zahlt ungefähr zwischen acht und 18 Euro Miete pro Quadratmeter, eine Bandbreite, die ihren Grund in den zahlreichen Genossenschaftsblöcken und dezent sanierten Altbauten hat. Und wer kaufen will und kann, findet Angebote im obermittleren vierstelligen Bereich. Das war so bis jetzt. Bis das Gerüst nach der Renovierung dieses einen Eckhauses abgebaut war, wo man besitzerseits beschlossen hatte, das Dachgeschoß auszubauen.

In den Treppenhäusern der umliegenden Gebäude fanden sich nun plötzlich Aushänge des Inhalts, dass zwei Dachgeschoßwohnungen in der Danklstraße zu verkaufen seien. Wer das genauer las, dachte zunächst, da habe sich wohl jemand vertippt am Computer. Eine Zweizimmerwohnung mit 96,85 und eine vierzimmerige mit 154,06 Quadratmeter, die kleine für 1 520 000, die große für 2 400 000 Euro, Obelix würde sagen: "Die spinnen, die Bauherrn!" Fast 16 000 Euro für den Quadratmeter, plus Provision, plus Notargebühren, plus Grunderwerbssteuer, aber ohne Tiefgaragenangebot, ohne den Englischen Garten vor der Haustüre, sogar ohne Hundepfotenwaschanlage, was bei solchen Preisen eigentlich obligat wäre.

Seid also willkommen im Viertel, ihr Oligarchen aus Russland, ihr Emporkömmlinge aus China, ihr Geldverschieber aus Griechenland oder Drittwohnungssuchende aus Deutschlands Milliardärskreisen. Ihr werdet finden: einen Spielzeugsecondhandladen, einen Bikertreff, wo sich Altrocker in Harley-Deutsch unterhalten, ein Seniorenzentrum, einen Nachbarschaftssalon und nach sechs Uhr keinen Parkplatz. Und wenn ihr zum Grillen zu uns kommt, bringt bitte ein bisschen Fleisch mit. Wenn ihr euch das noch leisten könnt.

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Quelle:
SZ vom 24.04.2019
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