Süddeutsche Zeitung

Mieterproteste in Fürstenried-West:"Das alles ist ein Fiasko"

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Nachforderungen von bis zu 2000 Euro: In einer Siedlung im Schweizer Viertel sorgen die Nebenkostenabrechnungen für 2021 für Aufruhr bei den Mietern. Dabei spielen die jüngst gestiegenen Energiepreise noch nicht einmal eine Rolle.

Von Jürgen Wolfram

Bange Erwartungen im Hinblick auf die nächsten Gas- und Stromrechnungen trüben bei vielen Menschen gegenwärtig die Herbststimmung. In einer Siedlung in Fürstenried-West ist vielen Bewohnern schon jetzt nach Protest zumute. Denn bei den Anwohnern von der Appenzeller und Bellinzonastraße sowie Forst-Kasten-Allee sind unlängst die Nebenkostenabrechnungen für 2021 eingegangen, und die haben es in sich. Nachforderungen von bis zu 2000 Euro werden gestellt, wobei nicht einmal die Energiekosten im Vordergrund stehen, sondern Posten wie Hausmeisterdienstleistungen, Versicherungen oder Wartungsarbeiten an Aufzügen. Reihenweise haben Mieter und Mieterinnen Widerspruch gegen die Abrechnungen eingelegt. Nach einer aufgeheizten Versammlung von mehr als 50 Betroffenen hat die Hausverwaltung eine Überprüfung der Abrechnungen angekündigt.

Die knapp 1500 Wohnungen im sogenannten Schweizer Viertel, um die es geht, gehören der Bayerischen Versorgungskammer (BVK) oder deren Ableger Quartier Fürstenried West GmbH. Verwaltet werden sie von der Ackermann Property Services GmbH. Der Zorn der Mieter richtet sich gegen beide. Bei ihrer Zusammenkunft in einem Fürstenrieder Gasthaus nannte deren Sprecherin Marita Reim die Nebenkostenabrechnungen "fehlerhaft", "horrend" und "völlig chaotisch". Alles in allem sei es ein "ziemlicher Schock" gewesen, der ihre Mitbewohner ereilt habe. Viele seien wegen der Nachforderungen "fassungslos". Eine Zeit lang habe die Hausverwaltung auf Einwendungen nicht einmal reagiert. Reim: "Das alles ist ein Fiasko."

Der Stadtteilverein rät, Einzugsermächtigungen zu prüfen

Der Vorsitzende des Stadtteilvereins Pro Fürstenried, Andreas Art, teilt den Eindruck, dass bei der Firma Ackermann "ein vollkommenes Durcheinander" herrsche. Er riet den Mietern, bis zur Klärung der Widersprüche die Einzugsermächtigungen ihrer Konten zu überprüfen. Man verstehe nicht, wie sich ein Wohnungsunternehmen von der Größe der BVK eine Hausverwaltung habe aussuchen können, "bei der der Fachkräftemangel schon so ausgeprägt ist". Die Bewohner der Siedlung in Fürstenried-West jedenfalls warteten weiter auf "stimmige Abrechnungen".

Tatsächlich sehen sich die Bewohner mit exorbitanten Nachforderungen konfrontiert. Der SZ liegen einige der Abrechnungen vor. So stiegen Versicherungskosten etwa binnen eines Jahres, von 2020 auf 2021, um 151 Prozent, in einem Fall explodierte der Anteil am Unterhalt eines Personenaufzugs um 121 Prozent. In einem anderen Fall stiegen die Kosten für Trinkwasser um 58 Prozent. Alles kaum nachvollziehbar.

Die Hausverwaltung verzichtet vorerst auf Überweisungen und Bankeinzüge

Unmittelbar nach der Protestversammlung der Mieter hat Ackermann-Geschäftsführer Henning Schrödter reagiert und im Viertel Schreiben verteilen lassen, in denen er eine Überprüfung aller Abrechnungen verspricht sowie "Korrekturen". Auf Überweisungen und Bankeinzug verzichtet die Hausverwaltung vorübergehend. Der Befriedung dienen sollen ferner "Mietergespräche im Quartier".

Über die Vorgänge in Fürstenried-West, wo die Leute wegen einer bevorstehenden Nachverdichtung um 660 Wohnungen ohnehin seit Jahren aus dem Häuschen sind, zeigt sich die BVK bestens informiert. Wegen der Nebenkostenabrechnungen hätten sich Mieter auch direkt an die Eigentümerfirmen gewandt, teilt das Unternehmen mit. Es stehe für sie außer Frage, "dass die Nebenkostenabrechnungen korrekt und nachvollziehbar für die Mieter sein müssen". Um dieses Ziel zu erreichen, sollen die "Abrechnungssystematiken" der Firmen Ackermann und BVK "angeglichen" werden.

Für die monierten Kostensteigerungen gebe es davon abgesehen gute Gründe, so die BVK. So seien bestehende Versicherungen Ende 2020 ausgelaufen und zu den alten Konditionen nicht verlängerbar gewesen. Zudem seien die Hausmeisteraufgaben einer Firma übertragen worden, und deshalb nicht mehr in der Hand festangestellten Personals. "So ein Schritt", sagte Andreas Art von Pro Fürstenried, "ist meistens ein Kostentreiber".

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