Süddeutsche Zeitung

Einkaufen wieder erlaubt:Das große Wiedersehen

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In der Stadt öffnen Blumenläden, Buchhandlungen und andere Geschäfte wieder ihre Türen. Die Einzelhändler sind erleichtert, auch wenn sie sich an viele Regelungen erst gewöhnen müssen.

Von Laura Kaufmann

Rita Roth stellt noch das letzte Rosenbäumchen auf die Bank vor ihrem Geschäft, dann kann es losgehen. Nicht, dass sie die Füße hochgelegt hätte in den vergangenen Wochen, sie hat Blumensträuße und -gedecke geliefert. Aber die Tür zum Laden wieder öffnen zu können, das ist etwas anderes, ein weiterer Schritt zurück in Richtung Normalität. "Heute früh war das eine schöne Stimmung in der Großmarkthalle", sagt sie. "Ein großes Wiedersehen." Lauter Menschen, die sie teilweise seit 30 Jahren kennt, denn so lange gibt es "Rita Roth Blumen" in der Wörthstraße schon. Auch auf der Wörthstraße kennt sie jeden. Die anderen Unternehmer, die jetzt Schaufenster putzen und ihre Ware zurechtrücken und die Nachbarn, die vorbeikommen und grüßen. Viele sind mit Maske unterwegs heute, Roth trägt sowieso eine.

Auf einem Tischchen gleich beim Eingang hat sie ein Schild aufgestellt, das an die Abstandsregeln erinnert, Desinfektionsmittel und Masken, falls ein Kunde keine dabei hat. Mit kleinen Blumentöpfen hat sie eine Abstandsbarriere gebaut. Normalerweise beugt sie sich oft gemeinsam mit den Kunden über Pflanzen, das geht jetzt nicht. Aber es geht eben auch so. "Wenn wir nun mit dem Virus leben müssen, können wir uns ja keine fünf Jahre lang verschanzen", sagt Rita Roth. Blumen sind kein Brot, wie es der Bäcker nebenan verkauft, vor dem sich täglich eine Schlange reiht. Aber auch Rita Roth hatte schon Kunden an diesem Montagmorgen, "Blumen sind für die Seele", sagt sie. Leute im Home-Office wollen es sich schön machen.

Ein paar Schritte weiter macht Karin Meßlinger, den Putzeimer in der Hand, ihren Laden schön. Nicht, dass er nicht von vorneherein adrett dekoriert wäre mit Bonsaibäumchen in Bonbongläsern, aufgereihten Ringen und den bunten Kleidern. Im Schaufenster hängt jetzt gut sichtbar ein Schild, das auf die Hygieneregeln hinweist. "Ich bin genau fünf Quadratmeter zu klein, um zwei Kunden gleichzeitig im Laden haben zu dürfen", sagt sie. "Oft sind Kunden lange bei mir, und den Kindern gebe ich was zu spielen. Das geht jetzt natürlich nicht", erklärt sie. "Manche Dinge sind für kleine Läden schwer umsetzbar." Schwierig ist für sie auch, dass viele Kunden sich in einen leeren Laden nicht hinein trauen. Er muss jetzt aber leer sein, damit ein Kunde überhaupt hinein darf.

Meßlinger hat noch keine Angestellten, die sie mit durch die Krise bringen müsste. "Im ersten Jahr wollte ich lieber so schauen, wie es läuft", sagt sie. "Das wäre sonst der Genickbruch für mich gewesen." Ein Viertel des gewohnten Umsatzes erwartet sie sich jetzt. Viele Menschen treibt normalerweise der Straßentrubel zu ihr hinein. Der hält sich in diesen Zeiten in Grenzen, aber sie hat treue Kunden. Wie viele Geschäfte in Haidhausen, die mit den Lokalen als Dreh- und Angelpunkt der Nachbarschaft fungieren. Man kennt sich, man unterhält sich auf der Straße. Maria del Mar von Borries steht in der Tür ihres Geschäftes in der Steinstraße und telefoniert. "Eigentlich läuft es gut, bei uns hat es sich positiv geändert", sagt sie. Grund ist ihr Sohn Philipp, der hinter ihr auftaucht, frisch aus dem Ausland zurückgekehrt. Für Carlotona, den klassischen Kinderkleidungsladen von Mama, hatte er eine Idee: Einen Concept Store, mit der Kinderkleidung, aber eben nicht nur; personalisierte Reisetaschen und extravagante Herrenhosen soll es zum Beispiel bald geben. "Uns hat die Krise als Familie näher zusammengebracht, und das Geschäft entwickelt sich weiter", sagt die Inhaberin.

Weiter hinunter die Steinstraße steht "Wir schließen Ende Mai" an den Schaufenstern des Lovely Concept Store. "Bitte lächeln" steht noch an der Tür, Maske hin oder her. Marie-Charin Thomas kann auch mit den Augen strahlen. Trotz Schließung. "Die Idee war schon vor Corona da", sagte sie. "Aber ich hätte mich so wahrscheinlich nicht getraut." Für sie war es der Schubs in die richtige Richtung. "Meine Kinder sind drei und eineinhalb Jahre alt. Und ich habe gemerkt, wie gut es ihnen tut, wenn ich mehr zu Hause bin", sagt sie. Das ginge zwar auch mit dem Laden und drei, vier Aushilfen, aber finanziell lohnt sich das nicht. Ihr Konzept existiert weiter, im Internet. Denn den Onlineshop hat die Krise richtig angekurbelt. Designstücke, Kissen, Kosmetik und Mode aus Palestinensertüchern verkauft sie normalerweise, gerade schneidert sie statt den Kleidern Masken aus den Tüchern. Es ist der Verkaufsschlager im Moment.

Drüben im Buchpalast, ganz am Anfang der Kirchenstraße, haben die Inhaberinnen Plexiglasschutz vor dem Gesicht und vor der Kasse. Die zwei Türen zum Laden sind aufgeteilt in einen Eingang für die, die nur schnell etwas abholen wollen, und in einen für Kunden, die Beratung brauchen. Vor der Tür sind ein paar der Bücher ausgestellt, die der Buchpalast gerade empfiehlt, im Schaufenster gibt es Bilderbuchkino. Normalerweise dient der Laden als Treffpunkt und bringt interessante Projekte ins Rollen. Vieles davon, so weit es geht, ist jetzt auf die Website umgezogen. Über einen Newsletter versuchen die Inhaberinnen, trotz Abstand engen Kontakt zu halten. "Wir lernen unsere Arbeit Tag für Tag neu zu denken", sagt Katrin Rüger. "Wir sind Unternehmer, und wir sind kreativ." Wenn es der Krise etwas Positives abzutrotzen gilt, dann das.

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Quelle:
SZ vom 28.04.2020
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