Süddeutsche Zeitung

Nachruf:Ein starkes Gerechtigkeitsgefühl, ein Menschenkenner

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Die Redaktion der Süddeutschen Zeitung trauert um ihren ehemaligen Kollegen Christian Rost.

Journalisten sollten neugierig bleiben und so oft wie möglich ihre Redaktionsbüros verlassen - raus ins Leben, sich überraschen lassen und die eigenen Vorurteile infrage stellen. Am besten geht das, wenn man die Chance hat, selbst vor Ort zu recherchieren und mit Charme, Hartnäckigkeit und etwas Humor Gesprächspartner zu öffnen. Gute Lokalreporter sind meist gute Zuhörer, auf jeden Fall aber Menschenkenner.

All diese Qualitäten brachte der Kollege Christian Rost mit, der bei den Starnberger Neuesten Nachrichten das gesamte Fünfseenland im Blick hatte und dann 2001 in die München-Redaktion wechselte. Er schrieb über städtische Unternehmen, den Lehrermangel, die neue Fußballarena in Fröttmaning oder den Papstbesuch in München. Ein klassischer Reporter eben, der oft gleich zum nächsten Termin, zum nächsten Ereignis eilte, und seine Geschichten meist aktuell für die nächste Ausgabe lieferte.

Aber auch ein hartnäckiger Rechercheur - seine Reportage 2011 über die seltsamen Umtriebe des zweitjüngsten Gaddafi-Sohnes in München wurde mit dem Herwig-Weber-Preis ausgezeichnet. Christian Rost hatte sich wochenlang auf die Spuren des verwöhnten Diktatorensohnes begeben, der mit seinen halbkriminellen Aktivitäten Immobilienmakler, Anwälte und sogar den Münchner Polizeipräsidenten auf Trab gehalten hatte. Eine heikle Geschichte, der Machthaber in Libyen lebte damals ja noch; so was kann nur gelingen, wenn man das richtige Informantennetz hat.

Rost, der vielen Kollegen freundschaftlich verbunden war, profitierte da auch von seiner Erfahrung als Polizei- und als Gerichtsreporter. Zum Glück verlor er dabei nie das Augenmaß und die Fähigkeit, sich in andere hineinzuversetzen - ein starkes Gerechtigkeitsgefühl, ein Gespür auch für Menschen, die nicht auf der Sonnenseite des Lebens zu Hause sind, leitete ihn an.

Einige Zeit arbeitete Christian Rost auch als Bayernkorrespondent für Augsburg und Schwaben, Ende 2020 verließ er die SZ.

Am 17. Mai 2022 ist Christian Rost an den Folgen einer Corona-Erkrankung gestorben. Er wurde 48 Jahre alt und hinterlässt seine Lebensgefährtin und die gemeinsame Tochter.

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