Süddeutsche Zeitung

SZ-Serie: Wahlfang:Mit Segen und Satire

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Fundstücke aus dem Münchner Wahlkampf. Heute: Wie "Die Partei" versucht, im Münchner Osten auf sich aufmerksam zu machen.

Von Heiner Effern

Auffallen gehört zum politischen Geschäft, wer es nicht tut, der kommt nicht weit. Am besten erledigt man das durch weise Beschlüsse und Gesetze, die vom Wähler so honoriert werden, dass er umgehend das Kreuz an der richtigen Stelle des Stimmzettels hinterlässt. Aber natürlich ist die Möglichkeit des Regierens oder auch einer fantastisch auffallenden Oppositionsarbeit nicht jeder Partei gegeben, insbesondere wenn sie kaum in einem Parlament vertreten ist. Vor den Wahlen bleibt also vielen Kandidatinnen und Kandidaten oft nur ein geschicktes Plakat, um im Strom der Konkurrenz aufzufallen. Das gelingt mehr oder weniger gut. Leichter hat man es vielleicht, wenn man für eine Satire-Partei antritt.

Die Satirepartei heißt Die Partei. Mal plakatierte sie einen langhaarigem Mann im Jesus-Outfit, der die Menschen auffordert: "Mach' keinen Scheiß mit deinem Kreuz." In diesem Wahlkampf fordert sie unter anderem eine Bierpreisbremse, mal ist das lustig, mal naja. In diese Kategorie passt das Plakat von Oliver Skerlec, Kandidat für die Partei im Münchner Osten, nicht. Doch es fällt in jedem Fall auf. Ein Mann, er selbst, steht mit dem Rücken zur Kamera und hat beide Arme nach vorne ausgestreckt, in Richtung des Reichstagsgebäudes in Berlin. Oben auf dem Plakat steht: "Selig sind die geistlich Armen." Darunter sind die Buchstaben auf dem Gebäude zu lesen: "dem deutschen Volke".

Das lässt Raum für Assoziationen: Streckt hier einer eine Art Doppel-Heil-Hitler-Arm dem Reichstagsgebäude entgegen? Erklärt hier einer einfach nur das deutsche Volk für blöd? Weit gefehlt, die Geste ist eine christliche, wie Skerlec ausführt und zweifelsfrei belegen kann, schon weil er hauptberuflich Diakon der evangelischen Kirche in Haidhausen ist. Es ist die Geste, die den Segen begleitet, der den Gläubigen gespendet wird. Zusammen mit dem Bibelspruch, der ursprünglich nichts mit der Interpretation des Volkes zu tun hat (Selig sind die geistig Armen, also die Dummen) soll das nicht zynisch oder lustig wirken. Es soll eine Aufforderung an die Politik sein, sich wieder mehr geistlichen Werten zuzuwenden, die Skerlec dort so oft vermisst: Redlichkeit, Besonnenheit, faires Miteinander. Damit fällt er bestimmt auf, und er vermeidet, was ihn an Wahlkämpfen wahnsinnig stört: all die Plattitüden auf den Plakaten.

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Quelle:
SZ vom 09.08.2021
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