Süddeutsche Zeitung

Bayerisches Rotes Kreuz:Blutkonserven aus dem Einkaufszentrum

Lesezeit: 3 min

Seit Beginn der Pandemie schwankt die Spendenbereitschaft in München stark. Mobile Termine im Forum Schwanthalerhöhe sollen dabei helfen, mehr Menschen zu erreichen.

Von Anton Kästner

Große Einkaufszentren sind zurzeit eher verlassene Gebäude, ein Betrieb im Obergeschoss des Forums Schwanthalerhöhe läuft dagegen auf Hochtouren: Seit dem 12. Januar bietet der Blutspendedienst (BSD) des Bayerischen Roten Kreuzes (BRK) im Shoppingcenter einen mobilen Termin zur Blutspende an. Zwischen Dienstag und Donnerstag können Spendewillige mit Termin ins Forum kommen.

Die Erfahrung, dass die Blutspende-Situation in München nicht immer unkompliziert war, hat auch Thomas Reiter gemacht. Der Münchner Braumeister spendet seit mehr als 20 Jahren Blut, früher alle zwei Monate. Die ersten Jahre im städtischen Gesundheitshaus in der Dachauer Straße, "kurze Wartezeiten" seien es dort gewesen, nie habe er im Vorhinein einen Termin ausmachen müssen. Vor fünf Jahren verkaufte die Stadt dann den Blutspendedienst an das Bayerische Rote Kreuz (BRK). Der Blutspendedienst sei "wirtschaftlich nicht mehr rentabel" gewesen, begründete dessen Sprecher Raphael Diecke damals die Schließung.

Der neue Blutspendedienst bietet seitdem stationäre Termine in seinem Institut an der Herzog-Heinrich-Straße nur mittwochs zwischen 13 und 19 Uhr an, für den im Münchner Umland arbeitenden Thomas Reiter nicht zu schaffen. Erst seit dem vergangenen Jahr habe er dann versuchen können, online einen Termin zur Blutspende beim BRK zu vereinbaren.

Der Blutspendedienst des BRK ist eine gemeinnützige GmbH, die sich selbst finanzieren muss. Das bedeutet, die aus dem gespendeten Blut gewonnenen Präparate werden an die bayerischen Kliniken verkauft, allerdings zu einem Preis, der nur die entstehenden Kosten decken soll. Auf seiner Website schreibt der Blutspendedienst, die deutschen Preise für eine Blutkonserve lägen im europäischen Vergleich "auf preiswertestem Niveau, bei höchsten Sicherheits- und Qualitätsstandards".

Die größte Herausforderung sei die geringe Haltbarkeit der Präparate, sagt der Sprecher des Blutspendedienstes, Patric Nohe. 42 Tage lang könne ein Blutpräparat verwendet werden, bevor es unbrauchbar wird. Vor allem deshalb sei es für den BSD seit dem Ausbruch der Corona-Pandemie "eine Achterbahnfahrt" gewesen. Der erste Lockdown kam in Deutschland Mitte März, direkt nach der jährlichen Influenza-Welle. "Um diese Zeit spenden jedes Jahr weniger", sagt Nohe, denn mit Grippesymptomen ist die Blutspende nicht möglich. Von Mitte März an konnte der BSD "von heute auf morgen nicht mehr in die Schulen rein". In Schulen werden normalerweise mobile Blutspende-Termine veranstaltet, die Anzahl der Spenden ist hier deutlich höher als im Institut.

Trotzdem habe es im Frühsommer eine "große Welle der Solidarität" gegeben. Gleichzeitig sei damals allerdings der Bedarf der Kliniken schlagartig weniger geworden, weil in dieser Zeit viele nicht lebensnotwendige Operationen verschoben wurden. Schon Anfang April gab es bis zum Juni keine freien Blutspende-Termine mehr, der BSD bat Spendende darum, das hohe Engagement konstant zu halten und sich von Terminschwierigkeiten nicht abschrecken zu lassen. Mit den Lockerungen habe sich die Situation dann von Juni an allerdings doch wieder umgedreht; weniger Spenden standen einem akut hohen Bedarf der Kliniken gegenüber, die so viele verschiebbare Operationen nachholen wollten wie möglich.

Das alles kehrte sich erneut um, als im Oktober die Corona-Fallzahlen in Bayern wieder stiegen. Spendenwillige bekamen über Monate keinen Termin. Auch Thomas Reiter wollte im November zur Blutspende kommen, bis in den Februar gab es aber keine freien Termine im Institut. Gleichzeitig würden dringend Blutspenden gebraucht, schrieb der BSD auf seiner Website, 2000 pro Tag in Bayern. Eine bessere Kommunikation hätte er sich in dieser Zeit zwischen vergangenem Oktober und Dezember gewünscht, sagt Reiter, "und ein bisschen mehr Kapazität und mehr Termine". Mit der Schließung der Schulen und Gemeindehäuser sei es kurzfristig nicht mehr möglich gewesen, in der Stadt mobile Termine anzubieten, begründet der BSD den Engpass.

Seit Mitte Januar die ersten Spendenden in das Forum Schwanthalerhöhe gekommen sind, ist dieses Problem Vergangenheit. An drei Tagen in der Woche kann dort jetzt Blut gespendet werden, auch nur mit einer Terminreservierung, aber man könne "aussuchen und ich habe auch sofort einen Termin bekommen", sagt Thomas Reiter, der direkt am ersten Tag zur Spende dort war. "Wie früher" sei es gewesen, "die waren gut organisiert".

Ein kurioses Erlebnis hatte Reiter trotzdem bei seiner ersten Blutspende an der Schwanthalerhöhe: Während seiner Blutspende ging in dem zurzeit nahezu leeren Einkaufszentrum wegen eines technischen Schadens der Alarm an. "Dann haben die Krankenschwestern allen Leuten die Nadeln rausgezogen, Pflaster drauf, und wir mussten leider rausgehen", erinnert sich der Spender. Seine Spende kann dadurch nicht verwendet werden.

Trotz dieser Erlebnisse, an dem der Blutspendedienst keine Schuld hatte, will Reiter nun "wieder regelmäßig hingehen, wenn das so gut organisiert ist". Wichtig sei jetzt, "dass das Engagement der Spender unabhängig von den Entwicklungen der Pandemie kontinuierlich auf einem hohen Niveau bleibt", sagt der Sprecher des Blutspendedienstes. Dem könne die bislang ausbleibende Grippewelle sogar in die Karten spielen.

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Quelle:
SZ vom 16.02.2021
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