Süddeutsche Zeitung

Ludwigsvorstadt/Isarvorstadt:Friede, Freude, Eierkuchen

Lesezeit: 2 min

Nach 18 Jahren Rosa Liste leitet mit Benoît Blaser nun ein Grüner die Geschicke des zweiten Stadtbezirks. Fast alle Posten wurden in der konstituierenden Sitzung einstimmig vergeben - ein Zeichen der Harmonie

Von Birgit Lotze, Ludwigsvorstadt/Isarvorstadt

Benoît Blaser (Grüne) ist einstimmig zum Vorsitzenden des Bezirksausschusses (BA) Ludwigsvorstadt-Isarvorstadt gewählt worden. Damit werden die Viertel zwischen Hauptbahnhof, Theresienwiese und Isar erstmals nach 18 Jahren von einem Grünen regiert - und nicht von der Rosa Liste, mit der die Grünen eine Fraktion bilden. Angesichts der großen LGBT-Szene hatte man in den vergangenen Jahren ein politisches "Statement" setzen wollen, doch nach einem Wahlergebnis von mehr als 45 Prozent sehen die Grünen dafür zu wenig Rückhalt, zumal die Rosa Liste bei der Kommunalwahl am 15. März auf knapp sieben Prozent abgerutscht ist.

Auch Blasers zwei Stellvertreter Andreas Klose (Rosa Liste), der in den vergangenen eineinhalb Jahren den BA geführt hat, und die neue Fraktionsvorsitzende der SPD, Barbara Turczynski-Hartje, wurden einstimmig gewählt. Fast alle Wahlen und Benennungen bei der konstituierenden Sitzung im Alten Rathaus fielen nahezu einstimmig aus. Eine Kampfabstimmung gab es lediglich bei der Besetzung des zweiten Beisitzerpostens. Dabei setzte sich Dagmar Modrow von den Linken durch, die erstmals im Gremium vertreten sind - gegen Andreas Siebel (FDP).

Unter den Gästen - darunter viele Grüne, die ihre grünen BA-Mitglieder zum Arbeitsstart mit Blumensträußen begrüßten, war von einem "Friede-Freude-Eierkuchen-Gremium" die Rede. Benoît Blaser, der 14 Neulinge im BA begrüßte, bestätigte dann auch, dass ihm an einer Fortsetzung der Arbeitsweise des langjährigen Vorsitzenden Alexander Miklosy (Rosa Liste) gelegen ist, so wie es auch Klose schon vor ihm getan habe. Es habe auch Meinungsverschiedenheiten gegeben, doch habe man sehr gut und freundschaftlich zusammengearbeitet, sagte Blaser. "Wir freuen uns, dass das so bleibt."

Der 43-Jährige Blaser mit französischer und deutscher Staatsangehörigkeit arbeitet als Ingenieur für Elektromobilität und war bereits Fraktionssprecher der Grünen. Er ist auch Sprecher des Grünen- Ortsverbands Innenstadt. Er kann auf starken internen Rückhalt bauen: Sein grün-rosa Team hält mit 13 von 25 Sitzen im BA die absolute Mehrheit. Es gibt zwei grüne Stadträte im Team, darunter Paul Bickelbacher, der auch im Stadtrat als Stadt- und Verkehrsplaner eine große Rolle spielt und die meisten Stimmen im Viertel bekam. Neu im Stadtrat ist Beppo Brem, der im Bayerischen Landes-Sportverband (BLSV) aktiv und für seinen Einsatz für Sportstätten und die LGBT-Szene bekannt ist. Er wurde in der Sitzung zum Beauftragten für Wirtschaft ernannt.

In den vier Ausschüssen sicherten sich die Grünen/ Rosa Liste sämtliche Stellvertreterposten, in den Bereichen Öffentlicher Raum und Mobilität (ÖRM) und Umwelt, Klima, Naherholung (UKN) sogar beide Vorsitzpositionen. Den ÖRM übernimmt Claudia Lowitz, die viel bei der Vorbereitung des Radentscheids mitgearbeitet hat und bei den Wahlen in der Ludwigsvorstadt-Isarvorstadt die zweithöchste Stimmenzahl erreichte. Den UKN, der erstmals gebildet wurde, leitet der Fraktionssprecher Arne Brach. Dieser sprach von einer "echten Herausforderung", in einem Viertel mit einem der geringsten Anteile an Grünflächen Naherholung und Naturschutz in Einklang zu bringen. Der Ausschuss Kinder, Jugend und Soziales wird wie in den vergangenen Jahren von Beate Bidjanbeg (SPD) geleitet.

Der Mathematikprofessor Martin Ruckert (CSU) übernimmt von Paul Bickelbacher den Chefposten im Ausschuss Planen und Bauen (P & B). Einen der Stellvertreterposten des Vorsitzenden erhielt die CSU diesmal nicht, obwohl sie mit 17,7 Prozent zweitstärkste Kraft ist - wenn auch nur knapp vor der SPD. Dafür wurde der neue Fraktionssprecher der CSU, Rudi Cermak, bis vor kurzem Bayerns erster Katastrophenschützer, einstimmig zum Beisitzer in den Vorstand gewählt. Martin Ruckert analysiert die neue BA-Zusammensetzung als "grün-rosa-rot-dunkelrot" geprägt. Sichtbar werde dies am Ergebnis der einzigen Kampfabstimmung. Da habe jeder "Farbe bekennen" müssen. Doch die Harmonie in der Sitzung nehme er als "gutes Zeichen dafür, dass die gute parteiübergreifende Zusammenarbeit, die schon bisher etwas Besonderes in unserem BA war, weitergehen kann".

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SZ vom 09.05.2020
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