Süddeutsche Zeitung

Opernfestspiele:Alterslos

Anja Kampe triumphiert abermals im "Fliegenden Holländer".

Von Egbert Tholl, München

Es gibt Inszenierungen, die altern offenbar nie. Peter Konwitschnys Inszenierung von Richard Wagners "Fliegendem Holländer" kam 2006, noch in der Ära von Sir Peter Jonas, an der Bayerischen Staatsoper heraus. Und öffnet sich nun der Vorhang zum zweiten Akt, hört man immer noch freies Lachen im Publikum, weil der Damenchor auf Trainingsrädern im Fitnessclub sitzt. Sie spinnen nicht, sie machen Spinning zur Selbstoptimierung, damit sie auch einen Mann abkriegen. Grimmig zeitlos gültig.

Der erste Akt mit seinem listigen Historiengemälde wird vor allem durch das fabelhafte Spiel von Ain Anger lebendig - sein Daland ist ein kantiger Kerl, nicht böse, aber gierig und stimmlich dem Holländer durchaus gewachsen. Was eine beeindruckende Leistung ist, denn Tomasz Konieczny ist gesanglich eine riesige Sagengestalt mit unglaublicher Wucht in der Tiefe und einer rauen Sehnsucht in der Höhe. Simone Young dirigiert dazu das Staatsorchester mit ausladenden Gesten, die zu tollem Tosen führen, aber in den Phrasierungen die rhythmische Prägnanz vernachlässigen.

Die Senta ist Anja Kampe, die mit der Rolle und dieser Inszenierung wie verwachsen scheint, 2018 konnte ihr der nun scheidende Intendant Nikolaus Bachler die Ernennung zur Bayerischen Kammersängerin überreichen. Sie kann immer noch das jungmädchenhafte Schwärmen für den Holländer vollkommen überzeugend verkörpern, sie verfügt gerade am Ende über eine ganz und gar überwältigende emotionale Kraft. Sie strahlt, sie lacht, irre wunderbar. Das Orchester scheint hier bereits von ihrer Wucht allein ausgelöscht, nicht erst durch Konwitschnys immer noch aufregende Idee, die Erlösungsmusik zu verweigern und nur noch leise von irgendwoher säuseln zu lassen.

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