Süddeutsche Zeitung

Lärm in der Altstadt:Volle Dröhnung vor dem Klassenzimmer

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Neben Münchens zentralster Schule werden zwei Wohn- und Geschäftshäuser gebaut - und das bringt vorübergehend Lärmspitzen von mehr als 80 Dezibel.

Von Julian Raff

Dem vor gut einem Jahr abgerissenen Fina-Parkhaus zwischen Hofbräuhaus und Altstadtring trauert niemand nach. Der Neubau von zwei Wohn- und Geschäftshäusern im Karrée zwischen Hildegard-, Neuturm- und Hochbrückenstraße verspricht zwar optischen Gewinn fürs Viertel, erst einmal bringt er aber akustische Zumutungen, vor allem für Schüler und Lehrerinnen der Grundschule an der Herrnstraße. Auf knapp 15 Meter rückt die Großbaustelle an Münchens zentralstes Schulgebäude heran.

Besonders laut wurde es dort von Mitte Oktober an, als der Bauträger Wöhr + Bauer damit begann, den Tiefbau für den Komplex vorzubereiten. Die ersten Probebohrungen hatten vorübergehend Lärmspitzen von mehr als 80 Dezibel gebracht. Was es mit der Ohren betäubenden Dröhnung auf sich hat, sei der Schulfamilie nicht mitgeteilt worden, bemängeln Christine Bénard vom Grundschul-Elternbeirat und Stefan Blum (CSU), der Beauftragte für die Herrnschule im Bezirksausschuss Altstadt-Lehel.

Die Kritik richtet sich vor allem an die Ansprechpartner der Stadt

Ihre Kritik zielt in erster Linie nicht auf den Bauträger, sondern aufs Schulreferat (RBS), das die Kommunikation offiziell an sich gezogen, sich anschließend aber in Schweigen gehüllt habe. Schüler, Lehrer und Eltern seien im Herzen der Stadt gewiss nicht überempfindlich und erwarteten keineswegs eine geräuschlose Baustelle, so Bénard. Erbost zeigt sie sich weniger über den Lärm selbst, als darüber, dass die Ansprechpartner im Referat ihre Mail-Adressen dauerhaft auf Abwesenheitsnotiz gestellt hätten - mit dem Hinweis, sie seien überlastet. Auch Blum findet, dass RBS habe "seine Aufgabe nicht ernst genommen", und zum Beispiel Zwischenergebnisse eines Lärmgutachtens anderthalb Jahre lang nicht weitergegeben.

Inzwischen zeichnet sich Besserung ab: Bei einem Ortstermin sagten Vertreter des Bauherren technische Verbesserungen zu. Außerdem wollen sie Schulleitung und Eltern mit Einverständnis des RBS künftig direkt informieren. Eine sieben Meter hohe Lärmschutzwand soll die Baustelle einigermaßen abschirmen. Außerdem werden die demnächst aufzustellenden Container so umplatziert, dass sie als zusätzliches Bollwerk gegen den Lärm wirken. Dennoch wird sich der Schallpegel, wie die Experten errechnet haben, nur bei geschlossenen Fenstern auf die gerade noch als verträglich eingestuften 61 Dezibel dämpfen lassen.

Ein fest eingebautes Entlüftungssystem, wie es Eltern und Schulleitung auch zwecks Bewältigung der Pandemie gefordert hatten, ist zeitlich und finanziell nicht machbar, hierfür müssten unter anderem Rohre in den Zwischendecken verlegt werden. Allerdings sagt Wöhr + Bauer Hilfe bei einer Teillösung zu, für die lediglich Fenstersegmente ausgebaut werden müssten. Außerdem will man besonders lärmintensive Arbeiten so weit wie möglich in die Ferienzeiten verlegen.

Dass es für mindestens vier Wochen noch einmal richtig laut wird, steht fest: Im Zuge der Bauarbeiten für die Untergeschosse werden demnächst Bohrungen bis zu 14 Meter tief gesetzt und die Schächte anschließend mit Stahlbeton verfüllt. Über einen Newsletter wollen die Bauherren die unmittelbar Betroffenen künftig etwa im Zwei-Wochen-Takt über die anstehende Belastung informieren. Eine weitere Sofortmaßnahme kommt unterdessen eher den Anwohnern zugute als den Schülern: Laute Arbeiten sollen künftig erst um acht Uhr starten, eine Stunde später als gesetzlich zulässig.

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