Süddeutsche Zeitung

Ausstellung:Zwischen Flucht und Alltag

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In der Münchner Akademie der Bildenden Künste zeigen wie jedes Jahr die Diplomanden ihre Arbeiten, diesmal mit einem Drall zur Fantastik und zum Surrealen.

Von Jürgen Moises

Am Anfang war die Keksmaschine. Die gab es sogar schon vor dem Urknall. Und das, was wir Universum nennen, ist als Abfallprodukt bei der Keksherstellung entstanden. Zu finden ist diese überraschende Antwort auf eine der größten Fragen aller Fragen in "Why" von Michael Pfitzner. Einem Comic, den der Künstler als Diplomarbeit an der Münchner Akademie der Bildenden Künste entwickelt hat. Und für den es den Preis der Akademie aus den Stipendienfonds gab, als einen von insgesamt neun Preisen. "Why", ein surrealer, leicht an Moebius erinnernder Trip durch die gähnenden Abgründe des Alltags mit vielen popkulturellen Verweisen, liegt in der aktuellen Diplom-Ausstellung aus. Insgesamt 150 Exemplare hat Pfitzner drucken lassen. Und für weitere Exemplare sucht er einen Verlag.

Das Heranzoomen an den banalen Alltag, verbunden mit der Flucht in eine fantastische, vielleicht auch parallele Welt: Möglicherweise sind das zwei hier zusammenlaufende Optionen, mit denen man auf den Irrsinn in der Welt da draußen reagieren kann. Und die man deswegen auch bei anderen der 59 Diplomanden wiederfindet.

Als "dunkle Seite einer spekulativen Zukunft eskapistischer Parallelwelten" beschreibt jedenfalls Stefan Holzmair seine Keramiken und Glasarbeiten, für die er eine Debütantenförderung bekommen hat. Die sehen wie surreale Apparate, fremdartige Mischwesen aus und würden gut in Pfitzners Comic passen. Auch bei Ayaka Terajima finden sich seltsame Kreaturen. Bei ihr sind es aber Behältnisse aus recyceltem Ton, die von der japanischen Töpferei-Tradition inspiriert sind.

Sehr alltagsnah geht's wiederum bei Veronika Günther, Tornike Abuladze und Milan Bettermann zu. Günther hat viele kleine, schöne, manchmal in Richtung Karikatur gehende Alltagsszenerien gezeichnet. Und zwar jeden Tag, über viele Monate hinweg. Abuladze hat 365 Sperr-Bildschirme eines Handys aus dunklem Glas rekonstruiert. Darauf steht Weiß auf Schwarz jeweils ein Datum. Eine konzeptuelle Arbeit, die an On Kawaras "Date Paintings" erinnert. Und Bettermann hat seine Freunde in deren Wohnungen fotografiert. Aber davor hat er alles komplett umgestaltet, hat quasi Installationen aus den Räumen gemacht, in denen die Porträtierten nun wie Schauspieler agieren.

Zumindest indirekt politisch wird es dann doch bei Justin Urbach. Er hat sich von sogenannten "Wafern" zu einer Science-Fiction-artigen Film- und Objekt-Installation inspirieren lassen. Wafer sind Silicium-Platten, man könnte auch sagen: Das "Gold der Zukunft", das zwischen China und Taiwan gerade hart umkämpft ist. Harte Kämpfe stehen wohl auch weiterhin den Protestierenden in Iran bevor, von denen man einige symbolisch auf Niloufar Shiranis Gemälden sieht. Shirani bringt diese mit der mystischen Dichtung von der "Konferenz der Vögel" zusammen sowie mit dem Wiedehopf als Hoffnungssymbol. Es geht um Konflikt, Kommunikation, in Bezug auf die dunkle Realität, der man am Ende doch nicht wirklich auskommt.

Diplom 2023, bis 14. Feb., Akademie der Bildenden Künste, Akademiestr. 2-4, www.adbk.de

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