Süddeutsche Zeitung

München:Angst vor den Gipfelstürmern

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Der Deutsche Alpenverein will das in die Jahre gekommene Kletterzentrum München-Süd modernisieren und plant auf dem Areal eine dritte Halle. Dagegen regt sich in Sendling entschiedener Widerstand

Von Birgit Lotze, Sendling/ Thalkirchen

Trotz der massiven Einwände aus Sendling will der Deutsche Alpenverein (DAV) seine Hallenpläne im Kletterzentrum München-Süd weiter verfolgen. Ein Hallenneubau habe "positive Auswirkungen auf Aspekte wie die Familienfreundlichkeit", auch werde die Anlage für Menschen mit Beeinträchtigungen erschlossen, so Michael Düchs vom Vorstand des Kletterzentrum-Trägervereins. Es gebe jedenfalls eine Menge guter Gründe für die Modernisierung der alten Beton-Kletteranlage. Der DAV plant einen zweigeschossigen Neubau im derzeitigen Freibereich. Derzeit stehen an dieser Stelle Kletter- und Boulderwände, darunter die Boulder-Freianlage "Der Schrein". Sie sollen für die neue Halle abgerissen werden.

In Sendling gibt es seit Jahren Beschwerden wegen des großen Andranges auf das Kletterzentrum in Thalkirchen - vor allem seit dem Bau einer zweiten Halle im Jahr 2011. Heute gilt das Kletterzentrum, eigentlich Teil einer Bezirkssportanlage, als das größte Europas. Parkplätze sind dort rar. Anwohner klagen über Verkehrslärm, Abgase und darüber, dass die umliegenden Straßen abends zugeparkt sind. Die Bürgerversammlung hat sich mit großer Mehrheit gegen eine dritte Halle ausgesprochen.

Auch DAV-intern begrüßt die Hallen-Ideen nicht jeder: Eine Initiative von Boulderern sammelt unter "Rettet das Boulder-Paradies ,Der Schrein'" online Unterschriften gegen den Abriss des Freigeländes von 1989. Sie sei eine "Oase in der Stadt", beschreibt eine der Initiatorinnen, Karin Nobs, die Freianlage. Deren leicht geneigte Wände seien sehr beliebt und ausgezeichnet für das Klettertraining.

Auch die Sendlinger Lokalpolitiker sind dagegen. Der Bezirksausschuss (BA) hat sich einstimmig einen weiteren Neubau an dieser Stelle verbeten - in erster Linie aus ökologischen Gründen: Das Gelände des Kletterzentrums soll Bestandteil des überregionalen Grünzugs sein, der für die Frischluftzufuhr und den Luftaustausch in den Innenstadtbezirken Münchens von erheblicher Bedeutung ist - eine wichtige Frischluftschneise. Dort dürfe gar nicht gebaut werden, darauf haben die Fraktionschefs von SPD und CSU im BA, Ernst Dill und Thomas Kaiser, verwiesen - und wenn doch, öffne man auch anderen Interessenten an einer Nutzung Tür und Tor.

In einer Presseerklärung geht die Vereinsführung des Kletterzentrums nun erstmals auf das Problem mit der Frischluftschneise ein. Laut Ralf Gierlinger von dem mit dem Neubau beauftragten Büro RGP Architekten soll die geplante Halle niedriger werden als die beiden bestehenden. Die Frischluftschneise, so wird Gierlinger in der Mitteilung zitiert, werde daher gar nicht tangiert. Auch werde die neue Anlage kaum größer als die bestehende. Derzeit stünden 1800 Quadratmeter Außenkletterfläche zur Verfügung, künftig 1400 Quadratmeter indoor und 800 Quadratmeter outdoor - "also unter dem Strich nur 400 Quadratmeter Kletterfläche mehr".

Die Vereinsführung verweist darauf, dass sich in den 30 Jahren, in denen die bisherige Außenanlage existiert, der Klettersport sehr dynamisch weiterentwickelt habe. Die technischen Anforderungen hätten sich "komplett verändert". Eine Modernisierung, die auch für die beiden bestehenden Hallen geplant ist, bringe eine deutliche Verbesserung für alle Nutzergruppen, so der Vereinsvorsitzende Andreas Roth. Die Vereinsführung weist explizit darauf hin, dass der Bundesverband des DAV mit 1,2 Millionen Mitgliedern die Maßnahme unterstütze. Denn Bouldern sei gerade bei jungen Menschen besonders beliebt. In eineinhalb Jahren würden bei den Olympischen Spielen in Tokio erstmals Medaillen für das Sportklettern vergeben.

Der DAV geht laut dem Schreiben davon aus, dass die Besucherzahlen durch Modernisierung und Neubau nicht steigen würden. Das neue Angebot richte sich primär an Mitglieder, die die Anlage bereits nutzten. Auch sei die Thalkirchner Anlage im Jahr 2015 durch den Bau einer hochmodernen Anlage in Freimann mit einem weitläufigen Boulderbereich entlastet worden. Die jährlichen Besucherzahlen seien seitdem in Thalkirchen um 70 000 Eintritte zurückgegangen, steht in der Erklärung. Die geplante Großinstandsetzung werde die Eintrittszahlen "nicht über das Niveau erhöhen", sondern die Qualität "für den Kreis der Bestandsnutzer erhalten".

Ob die Sendlinger den Neubau gegen den expliziten Wunsch des mächtigen DAV verhindern können, ist ungewiss. Auch beim Hallenneubau im Jahr 2011 hatten die Sendlinger protestiert - vergebens. Andreas Roth vom DAV jedenfalls sagt, er hoffe darauf, dass die Baugenehmigung in den nächsten Monaten erteilt werde. Für den Bau seien sechs Monate veranschlagt.

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Quelle:
SZ vom 14.11.2018
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