Süddeutsche Zeitung

Mordprozess:Kampf um die Böhringer-Millionen

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Der spektakuläre Mordprozess gegen den Neffen der getöteten Charlotte Böhringer könnte neu aufgerollt werden - durch eine Erbanfechtungsklage.

Der wegen Mordes an seiner Tante Charlotte Böhringer rechtskräftig verurteilte Benedikt T. will den spektakulären Kriminalprozess neu aufrollen. Quasi als "Türöffner" soll ihm dazu ein Zivilverfahren ums Erbe dienen, das am Dienstag im Justizpalast seinen Anfang nahm.

Wenn alles so läuft, wie es sich der 34-jährige Häftling erhofft, wird die Beweiswürdigung des Strafurteils durch die 4.Zivilkammer noch einmal unter die Lupe genommen - und zwar auf Staatskosten. Denn Benedikt T. hat Prozesskostenhilfe beantragt. Ein solches Verfahren könnte sich über mehrere Jahre hinziehen, wie die Vorsitzende Richterin Brigitta Steinlehner-Stelzner deutlich machte.

Lautstarke Proteste der Familie

Die Situation im Gerichtssaal war in jeder Hinsicht ungewöhnlich. Mate T., der Bruder des Verurteilten, hatte auf der Klägerseite Platz genommen. Benedikt T. wurde von Vollzugsbeamten in Handfesseln zur Sitzung gebracht - das Gericht hatte sein persönliches Erscheinen angeordnet. Als er den Raum betrat, erhob sich seine Familie von den Zuschauerplätzen. Später schickte die Vorsitzende dann aber den Vater und weitere Angehörige und Bekannte als potentielle Zeugen hinaus auf den Flur.

Vater, Mutter und Bruder hatten auch im Strafprozess Benedikt, den sie "Bence" nennen, demonstrativ den Rücken gestärkt: sich bei seinem Eintreten zu erheben gehörte ebenso zu ihrem festen Ritual wie lautstarke Proteste, wenn ihnen Entscheidungen des Gerichts missfielen.

Auch wenn nun Bruder gegen Bruder klagt, darf das keinesfalls als Sinneswandel missdeutet werden. Denn hinter dem juristischen Manöver stecken zwei Ziele: Die Familie will ihren Spross freibekommen und ans restliche Böhringer-Erbe gelangen. In der Verhandlung versicherten sich beide Brüder auch sogleich gegenseitig ihrer uneingeschränkten Sympathie.

Klage ein perfektes Instrument

Eine Erbanfechtungsklage erscheint den Rechtsanwälten Peter Witting und Jürgen Contzen dazu als perfektes Instrument. Durch die rechtskräftige Verurteilung im Mai ist Benedikts Anteil am Millionen-Erbe nämlich an den Freistaat gefallen. Um das zu umgehen, will Mate T. nun gerichtlich die "Erbunwürdigkeit" seines Bruders Benedikt feststellen lassen - sollte er damit Erfolg haben, wäre er der Nächste in der Erbfolge. Mate T. wird hier durch den Anwalt Volker Ameskamp vertreten.

Der beklagte Benedikt bezieht dazu eine klare Position, die Anwalt Witting so vortrug: "Er hat die Tat nicht begangen - er ist daher nicht erbunwürdig." Sein Kollege Contzen ergänzte: "Da das Zivilgericht nicht an das Strafurteil gebunden ist, beantragen wir dazu eine neue Beweisaufnahme." Deshalb solle die inzwischen von der Staatsanwaltschaft freigegebene Wohnung des Mordopfers, die aber weitgehend unverändert geblieben sei, erneut gründlich auf Spuren untersucht werden.

Die Anwälte erwarten sich dadurch die Entlastung ihres Mandanten und neue Erkenntnisse, die später als "erhellende Punkte für ein strafrechtliches Wiederaufnahmeverfahren" dienen sollen. Da die riesige Wohnung auf Betreiben des Nachlasspflegers so schnell wie möglich geräumt, das Mobiliar finanziell "verwertet", die Immobilie dann wegen der Blutflecken renoviert und anschließend vermietet werden soll, sei Eile geboten, erklärten die Anwälte.

Verfassungsbeschwerde eingelegt

Die Gerichtsvorsitzende räumte allen Beteiligten großzügige Schriftsatzfristen ein. Erst danach will sie über den Antrag auf Prozesskostenhilfe - früher sagte man "Armenrecht" - entscheiden. Dann erst wird sich auch zeigen, wie und wann das Verfahren fortgesetzt wird. Angesichts von mehr als 240 anderen Fällen, die bei dieser Kammer "anhängig" sind, sei mit einem schnellen Prozessende vorläufig nicht zu rechnen. Die Anwälte von Benedikt T. haben deshalb auch den Antrag gestellt, ihren Mandanten nicht in eine bayerische Vollzugsanstalt zu verlegen, sondern weiterhin in München-Stadelheim zu lassen.

Über eine parallel in Karlsruhe eingelegte Verfassungsbeschwerde ist bisher noch nicht entschieden worden.

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Quelle:
Ekkehard Müller-Jentsch, SZ vom 19.08.2009
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