Süddeutsche Zeitung

Moosach:"Jauchzet, frohlocket"

Lesezeit: 2 min

Laien und Profis proben in Moosach Bachs Weihnachtsoratorium

Von Astrid Benölken, Moosach

Johannes Schachtner hebt beide Arme, und das Stimmengemurmel verebbt in der Sankt-Martins-Kirche. Alle Augen richten sich auf den jungen Mann am Notenpult. Schachtner holt tief Luft, die Schultern heben sich, sein grobkariertes Karohemd verrutscht, dann schnaubt er entschieden aus, senkt zugleich die Arme - und der Chor von "Moosach macht Oper" beginnt zu singen.

Letzte Proben für das Team, in etwas mehr als einer Woche ist die Aufführung. Statt Oper gibt es in diesem Jahr ein Konzert: Bachs Weihnachtsoratorium. "Etwas Kleineres" sollte es nach Meinung von Norbert Kästle, Initiator und Produktionsleiter von "Moosach macht Oper", in diesem Jahr werden, zuletzt hatten die Proben zur "Zauberflöte" seine gesamte Freizeit geraubt. Kästle stand kurz davor, das Profi-Laien-Projekt gänzlich zu beerdigen, ließ sich dann aber nach einer Pause doch wieder überreden. Das Weihnachtsoratorium wollte er schon immer mal auf die Bühne bringen. "Dass es jetzt wieder so ein Stiefel wird, war nicht geplant", sagt er, halb amüsiert, halb resigniert. Denn einfach nur so das Weihnachtsoratorium singen, das war ihm "zu langweilig". Deshalb wird bei den Aufführungen Mitte Dezember noch eine ausgeklügelte Lichtinstallation erstrahlen, und die Sänger werden kleine Szenen und Bewegungen einbauen.

"Stopp, stopp. Ihr müsst schneller nach vorne gehen!", ruft Dirigent Schachtner und bremst die zum Altar laufende Sängergruppe aus. Wiederholung. Musikalisch saß bei den Proben in der Magdalenenkirche alles, jetzt aber sind die Laufwege länger, dazu hallt der Gesang zwischen den glatten Kirchenwänden der Sankt-Martins-Kirche nach. "Wir müssen uns wieder ein wenig neu sortieren", sagt Schachtner. "Einfach eine brutale Umstellung", sagt Produktionsleiter Kästle.

"Lasset uns nun gehen gen Bethlehem", singen die Bässe von rechts dunkel an, die anderen Stimmen fallen ein, zuletzt der Sopran ganz links. Der volle Gesang schraubt sich bis zur schlichten Holzdecke hoch. Bei allen Umstellungen ist das Team auf einem guten Weg. Damit die Chorsänger ihre Einsätze üben, singt Schachtner nun - ein wenig knödelig - die Soloparts an. Diese werden später vier Gesangsprofis übernehmen, die erst eine Woche vor der Aufführung zu den dann fast täglichen Proben des 43-köpfigen Laienchors dazustoßen werden. Zur musikalischen Unterstützung kommt am Ende auch noch eine 18-köpfige Orchesterbesetzung dazu.

Spannend sei das, diese Zusammenarbeit zwischen engagierten Laien und ausgebildeten Profis, die in "Moosach macht Oper" zum Grundgerüst gehört, sagt Dirigent Schachtner. "Man kommt auf verschiedenen Wegen zum Ziel." Bei den Profis könne man eine gute Technik voraussetzen, welche die Laien erst noch erlernen müssten. "Aber es kann auch bei Profis langweilig werden. Was nachher zählt, sind die Emotionen, da ist es egal, ob das Laien oder Profis sind."

Begonnen haben die Proben für das Weihnachtsstück im Juni, da war draußen noch Sommer. "Natürlich ist das ein bisschen sonderbar, aber Bachs Oratorium behandelt Weihnachten auf einer abstrakten Metaebene", sagt Dirigent Johannes Schachtner. Inzwischen hat der Winter fühlbar Einzug gehalten in die Proben, die meisten Sänger haben ihre Jacken von draußen in der Kirche einfach angelassen, einige tragen Schals, Mützen und Stirnbänder, vereinzelt sogar Handschuhe. Mit den niedrigen Temperaturen rückt auch Weihnachten immer näher. Und der Auftritt. Dirigent Johannes Schachtner hebt die Arme. Und holt wieder tief Luft.

"Moosach macht Oper", 12. und 13. Dezember, jeweils 18.30 Uhr, Pfarrkirche Sankt Martin, Chemnitzer Platz 9, Tickets unter Telefon 54 81 81 81

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SZ vom 05.12.2015
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