Süddeutsche Zeitung

Mobbing-Affäre:Die bösen Späße einer Sondereinheit

Lesezeit: 3 min

Sie sprühen sich Pfefferspray ins Gesicht, binden einander nackt ans Treppengeländer und schikanieren sich im Einsatzbus: Im Unterstützungskommando werden nicht-konforme Kollegen gezielt gedemütigt. Gehen müssen die Opfer, nicht die Täter. Alles Teil eines "großen Spaßes"?

Susi Wimmer

Sie sind dafür ausgebildet, in besonders gefährlichen Situationen Ruhe und Besonnenheit zu bewahren. Doch in den eigenen Reihen scheint es an beidem zu mangeln: Manche Polizisten der Sondereinheit Unterstützungskommando (USK) schikanieren nicht-konforme Kollegen; gehen müssen dann die Opfer, nicht die Täter. Interne Ermittlungen laufen, dabei hält sich im Polizeiapparat die Empörung in Grenzen.

Es wurde als "Spaß" angesehen, der diejenigen Kollegen treffe, die irgendwie aus der Reihe tanzten: Ein Beamter wurde nach einem Einsatz mit einer 15 Kilogramm schweren Türramme auf die Straße gesetzt und musste damit eineinhalb Kilometer weit zu Fuß laufen. Während der Fahrt im Einsatzbus sprühten sich die Polizisten gegenseitig Pfefferspray ins Gesicht - als Wettbewerb, wer es länger aushält. Einen USK-Kollegen fesselten die Männer mit Kabelbindern an ein Treppengeländer, sie zogen ihn aus und malten ihm unter dem Gejohle der Gruppe eine weibliche Brust auf den Oberkörper.

Ermittlungsgruppe "Früherkennung"

Als all dies bekannt wurde, schaltete das Präsidium die interne Ermittlungsgruppe "Früherkennung" ein. Vier Opfer wurden befragt. Sie behaupteten, sie hätten die Vorfälle mehr oder weniger freiwillig "als Spaß in der Gruppe mitgetragen", sagt Polizeisprecher Peter Reichl.

Offen bleibt, ob sie dies aus Furcht, falschem Korpsgeist oder schlicht deswegen aussagten, weil ihnen das Verhalten der Kollegen ganz normal erschien, sie sich also gar nicht als Opfer fühlten, sondern als Teilnehmer eines großen Spaßes. Reichl: "Für uns ist es aber alles andere als ein Spaß." Die Opfer wurden aus der Einheit genommen, "aus Fürsorgepflicht", so Reichl.

Warum die Opfer und nicht die Täter? Stimmt es, was man in Polizeikreisen hört, hätte die Mobbing-Affäre eine beachtliche Dimension. Hätte man die Täter herausgezogen, heißt es intern, wäre vom USK nicht mehr viel übrig geblieben. Außerdem heißt es, dass die Spezialeinheiten untereinander konkurrieren - und auch beim Sondereinsatzkommando (SEK) derartige Gruppenmechanismen vorkämen. Dies erzählt ein Beamter der SZ, der die ganze Aufregung um diesen "Spaß" nicht versteht.

"Die müssen ihren Frust abbauen"

Ein normales gruppendynamisches Ablaufgeschehen unter Bedingungen, die einfach nicht normal sind" - so nennt Heiner Keupp, Professor für Psychologie an der Universität München (LMU), das Verhalten der Elitetruppe. Er spricht von Gruppenzwang, wie bei den Soldaten der Bundeswehr in Afghanistan, die sich mit skelettierten Schädeln ablichten ließen: "Der Gruppenzwang wird da enorm stark."

Erst recht bei jungen Polizisten, die schwierige Situationen meistern sollen und sich selbst als Elite empfänden. Tatsächlich wird die Sondereinheit, eine junge Truppe von 120 Mann, insbesondere bei größeren Demonstrationen sowie zum Schutz von Fußballspielen eingesetzt, um gewaltbereite Randalierer aus der Menge zu ziehen - eine körperlich wie seelisch extrem belastende Aufgabe.

Die Vorfälle in der Münchner Einheit widersprechen den Beteuerungen der Polizei, für solche Einheiten würden nur besonders besonnene und belastbare Kollegen ausgesucht. "Die müssen ihren Frust und den Druck abbauen - und suchen sich das schwächste Glied in der Kette aus", meint Keupp. Deshalb sei es auch die falsche Reaktion, die Opfer aus der Gruppe zu nehmen, "das nächste schwache Glied ist schnell ausgemacht".

Fragwürdige Eliteschulung

Und: Die, die sich gewehrt haben, seien jetzt als die Schwachen stigmatisiert. Eine "fragwürdige Eliteschulung" finde da statt, meint Keupp und kritisiert die Polizeispitze: "Es gehört zu den Führungsaufgaben, da einzugreifen und gruppeninterne Dinge zu behandeln."

Dass keiner der Gruppen- oder Zugführer von den Vorfällen etwas bemerkt habe, hält man selbst innerhalb der Polizei für unwahrscheinlich. "Die Sache ist auch ein Führungsproblem", bestätigt Christian Gruber, Leiter der Zentralen Dienste, dem das USK unterstellt ist. Man sei sich der Wirkung nach innen und außen bewusst. Der Psychologische Dienst der Polizei stehe für die Sondereinheiten nach besonderen Einsätzen bereit - und werde wohl zu wenig genutzt. "Den Handlungsbedarf haben wir sehr wohl erkannt", sagt Gruber.

Künftig soll es wohl eine längerfristige psychologische Schulung geben und auch mehr Jobrotationen. Zunächst aber will sich Gruber alle ihm unterstellten Einheiten noch einmal ganz genau anschauen. Bis dahin muss das USK mit dem Ruf leben, nicht die Truppe zu sein, die sie sein soll.

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Quelle:
SZ vom 1.12.2006
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