Süddeutsche Zeitung

Maxvorstadt:Investoren ausgebootet

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Ursprünglich hatten die Stadtwerke das Areal des alten Heizkraftwerks an der Katharina-von-Bora-Straße möglichst teuer verkaufen wollen. Nach Intervention der Politik bauen sie ihren Mitarbeitern jetzt Wohnungen in Toplage

Von Stefan Mühleisen, Maxvorstadt

Oben, auf dem Dachgarten in 22 Meter Höhe, ist der Bewohner auf Augenhöhe mit dem NS-Dokumentationszentrum. Der Museums-Kubus ist nur etwa 200 Meter Luftlinie entfernt, ebenso der Obelisk am Karolinenplatz. Wenn auf dem Königsplatz, zwei Gehminuten weit entfernt, im Sommer ein Konzert stattfindet, dann wird es hier private Logenplätze geben. Das 7000 Quadratmeter große Areal des alten Heizkraftwerks an der Katharina-von-Bora-Straße 8 a ist ein exquisites Filetgrundstück - und bald wird dort ein kleines aber besonderes Wohnquartier entstehen. Besonders ist nicht nur die Toplage: Denn es entsteht am Rande der Innenstadt keine Luxussiedlung, sondern ein Quartier mit erschwinglichen Wohnungen.

Die Stadtwerke München (SWM) als Eigentümer errichten dort einen Block mit 85 Wohnungen im Denkmalgefüge; sie sollen Werksangehörigen, als "differenziertes Angebot für unterschiedliche Einkommensgruppen" zur Verfügung stehen, wie es im Beschluss des Stadtrates heißt, mit dem das Projekt jetzt auf den Weg gebracht ist. 34 Prozent sollen geförderte Wohnungen nach den Regularien der sozialgerechten Bodennutzung (Sobon) sein. Integriert wird eine Kindertagesstätte mit zwei Krippen- und zwei Kindergartengruppen. Damit entsteht am Eingangstor zum Kunstareal ein Heim für Normalverdiener - fast wäre dort jedoch ein Quartier für Betuchte errichtet worden.

Es war im Februar 2013, als die Stadtwerke ihren Plan aufgaben, das Areal meistbietend an einen Investor zu verkaufen. Zwei Jahre zuvor waren bei einer Ausschreibung angeblich 40 Millionen Euro für das Grundstück geboten worden. Der Fall wurde zum Politikum, es erhob sich harsche Kritik, dass ein städtischer Eigenbetrieb Luxuswohnungen ermöglicht, während Menschen mit geringeren Einkommen an den Stadtrand ziehen müssen. Der damalige Oberbürgermeister Christian Ude (SPD), zugleich SWM-Aufsichtsratsvorsitzender, stoppte das Bieterverfahren: Nun sollten die Stadtwerke das Grundstück behalten und selbst entwickeln. Die alte Anlage wurde ins "Ausbauprogramm Werkswohnungen" integriert. Bis die Bagger anrücken, wird es aber noch dauern. Nach Angaben eines SWM-Sprechers wurde der Vertrag mit dem Team von "Mixed Munich Arts", das im alten Heizkraftwerk eine kulturelle Zwischennutzung betreibt, bis Ende 2017 verlängert. "Der Baubeginn erfolgt frühestens Anfang 2018", erklärt der Sprecher. Wann der neue Komplex bezugsfertig sein soll, dazu macht er keine Angaben.

Die künftigen Bewohner im Neubau an der Katharina-von-Bora-Straße werden in ein historisch interessantes Häusergefüge ziehen. Die Anlage an der einstigen Adresse Meiserstraße 6/8 war ein Funktionsgebäude im Ensemble der Parteibauten der NS-Zeit. Das Heizkraftwerk mit Kohlebunker versorgte die umliegenden Amtsgebäude mit Wärme und war überdies unterirdisch über ein zweigeschossiges Gangsystem mit den Parteibauten verbunden. Die Gänge werden heute für die Fernwärme genutzt. Die riegelartige Randbebauung um das alte Heizkraftwerk an der Katharina-von-Bora- und der Karlstraße steht unter Denkmalschutz. In der Nachbarschaft residieren hochrangige Institutionen: etwa an der Katharina-von-Bora-Straße 10 das "Haus der Kulturinstitute", an der Karlstraße 18 das evangelisch-lutherische Landeskirchenamt und in Sichtweite in nördlicher Richtung steht das Amerikahaus.

Der von Ost nach West ausgerichtete Querbau des alten Heizkraftwerks wird abgerissen, die Lücke mit dem Neubau aufgefüllt. Federführend dabei sind die Sieger des Architektenwettbewerbs, das Münchner Büro 03 Architekten/LeitWerk und Landschaftsarchitekten Keller Damm Roser. Die Planer entwarfen einen versetzt gegliederten Baukörper, auch die Höhe variiert: Das Haus soll fünf bis sieben Stockwerke haben, mit Zwei- bis Fünfzimmerwohnungen auf insgesamt 9110 Quadratmetern. Durch den Lückenschluss entsteht im Süden ein ruhiger Innenhof mit baumbestandener Grünfläche. Die unterirdischen Heizleitungen bleiben erhalten, wie aus der Behördenvorlage hervorgeht. Immer noch ist dies ein zentraler Knotenpunkt des Fernwärmenetzes. Per Verteiler wird die Umgebung über sieben abzweigende Leitungen mit Heizwasser versorgt.

Als Sahnehäubchen genehmigte der Stadtrat eine "homogene Dachlandschaft". Die Bewohner bekommen eine Art zusammenhängenden, gemeinschaftlich nutzbaren Garten auf dem Dach, zu dem man auch mit einem Aufzug gelangt. "Mindestens 20 Prozent", so steht es im Beschluss, seien als "intensive Dachbegrünung" anzulegen.

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Quelle:
SZ vom 19.12.2016
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