Süddeutsche Zeitung

Luftverschmutzung:Umweltschützer fordern Fahrverbot vor Schulen

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Von Andreas Schubert und Melanie Staudinger

An der Grundschule an der Berg-am-Laim-Straße haben sie schon viel versucht: Kinder hängten den Eltern bunte Bildchen ans Auto, der Elternbeirat schrieb die Familien an, Schulleiter Martin Hoderlein sprach das Problem bei Elternabenden an. Geholfen hat nicht viel. Noch immer fahren viele Mütter und Väter jeden Tag morgens an der Schule in dicken Autos vor und bringen ihre Kinder, obwohl die Grundschulsprengel so geschnitten sind, dass die Mädchen und Jungen im Regelfall zu Fuß gehen könnten. Gezählt hat Hoderlein den Bringverkehr nicht. "Für meinen Geschmack ist er viel zu hoch", sagt der Rektor, "aber was sollen wir machen?" Wenn Autos kreuz und quer parken, entstehen nicht nur gefährliche Situationen. Die Abgase sind auch gesundheitsgefährdend.

Und das ziemlich stark, wie eine Studie von Greenpeace zeigt. Die Umweltschützer haben im Februar zwei Wochen lang den Stickstoffdioxid-Gehalt vor 20 Münchner Grundschulen gemessen. An nur drei Schulen wird der geltende Grenzwert von 40 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft eingehalten, alle anderen sind darüber. An der Grundschule in Berg am Laim beträgt der Wert 56,4 Mikrogramm. Für Rektor Hoderlein ist das wenig überraschend. "Unsere Schule liegt an einer viel befahrenen Straße."

Trotzdem will er in seiner Elternschaft das Umweltbewusstsein schärfen. Unerwartet hat die Stadtverwaltung ihm nun geholfen. Bei der gerade laufenden Generalsanierung erhält das Gebäude einen neuen Eingang, der nicht mehr an der Berg-am-Laim-Straße sein wird, sondern im rückwärtigen Bereich. "Dann muss jeder das letzte Stück zu Fuß gehen", sagt Hoderlein. Vielleicht, so hofft der Schulleiter, reisen dann auch weniger Schüler mit Mami und Papi als Chauffeur an.

Die neuen Messungen zeigen zum wiederholten Male, dass das Stickstoffdioxid (NO₂) ein Problem ist, das die ganze Stadt betrifft. Zur Erinnerung: Erst Ende März hat die Umweltorganisation Green City eine Untersuchung vorgestellt, nach der es nicht nur an viel befahrenen Straßen, sondern auch in ruhigen Wohngebieten zu Überschreitungen kommen kann. Auch wenn die Messungen - wie jetzt auch von Greenpeace - nur über einen kurzen Zeitraum vorgenommen wurden und nicht über ein ganzes Jahr, so deutete das Ergebnis doch auf eine Tendenz hin: Die Luft ist zu dreckig. Und gerade Kinder sind durch eine zu hohe NO₂-Belastung gefährdet. Das Reizgas, das vor allem in Dieselabgasen vorkommt, kann zu Asthma-Anfällen führen. Die Weltgesundheitsorganisation WHO hält erst einen Wert von höchstens 20 Mikrogramm für unbedenklich.

Greenpeace fordert denn auch sofortige Maßnahmen: "Bürgermeister müssen sofort regelmäßige NO₂-Messungen an Schulen anordnen und bei zu hohen Werten Kinderschutzzonen durchsetzen - notfalls auch mit Fahrverboten", sagt der Greenpeace-Verkehrsexperte Daniel Moser. Doch so einfach ist das nicht, wie die Stadt immer wieder betont. Es fehle die rechtliche Handhabe für Fahrverbote, ist beim Umweltreferat zu erfahren. Dies sei das Dilemma der Kommunen. Einen einzig gangbaren Weg sieht das Umweltreferat deshalb auch in einer Plakettenlösung.

Auch Greenpeace hält die viel diskutierte blaue Plakette für das wirksamste Instrument, um schmutzige Dieselautos auszusperren und die Stadtluft schnell von NO₂ zu befreien. Doch politisch war die Plakette bisher nicht durchzusetzen.

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Quelle:
SZ vom 26.04.2017
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