Süddeutsche Zeitung

Literaturfestival "Wortspiele":Offen für die Zukunft

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Beim Festival "Wortspiele" in München erzählen junge Autorinnen und Autoren davon, was wichtig ist und werden könnte. An drei Abenden lesen insgesamt 18 Talente im Muffatwerk - zu erleben für alle per Online-Live-Stream.

Von Antje Weber

Ich will mich der Gegenwart nicht entziehen", schreibt der Nürnberger Autor Joshua Groß zu Beginn seines neuen Erzählbandes "Entkommen": "ich will mich der Gegenwart aussetzen und in ihr durchlässiger werden". Zu behaupten, dass dies der Urgrund des Schreibens aller junger Autorinnen und Autoren ist, wäre nun allerdings übertrieben. Denn was die umtreibt, ist höchst unterschiedlich: Manche entziehen sich der Gegenwart und tauchen in die Vergangenheit ab, andere imaginieren eine ferne Zukunft herbei. Wer die Szene in ihrer ganzen Vielfalt erleben will, wird auf alle Fälle bei den "Wortspielen" fündig, dem 21. Internationalen Festival für junge Literatur.

An drei Abenden lesen insgesamt 18 Autorinnen und Autoren live im Muffatwerk - zuhause jedoch nur per Stream zu erleben - und konkurrieren um Preise wie den Bayern 2-Wortspiele-Preis. Die Podien sind hervorragend besetzt; von Joshua Groß bis Jakob Nolte, Julia Rothenburg bis Bernhard Heckler. Dabei ist auch die Autorin Hengameh Yaghoobifarah, die durch polarisierende taz-Kolumnen bekannt wurde und im Roman "Ministerium der Träume" Erfahrungen von Ausgrenzung und Rassismus verarbeitet. Faschisten begegnet auch der Ich-Erzähler in Björn Stephans Debüt "Nur vom Weltraum aus ist die Erde blau" über eine Kindheit im Plattenbau. Unserer Zeit voraus ist dagegen die Autorin Laura Lichtblau: Sie entwirft in ihrem Roman "Schwarzpulver" eine Zukunft, in der Bürgerwehren die Menschen terrorisieren.

Noch viel krasser erscheint die Zukunft allerdings bei Raphaela Edelbauer: Sie erzählt in "Dave" von einer Welt, in der junge Programmierer ihr Leben dem Projekt unterordnen, eine gigantische künstliche Intelligenz zu erschaffen. Als einer der Nerds eine attraktive Ärztin kennenlernt, werden seine Sinne jedoch von ihrem Geruch reaktiviert: "Ich erinnerte mich wohl an etwas - doch nicht an etwas Geschehenes, sondern an die Zukunft". Sieht ganz so aus, als ob die Gegenwart ihn durchlässiger gemacht hätte.

Wortspiele-Festival , Mi.-Fr., 19.-21. Mai, je 20 Uhr, kostenloser Livestream unter festival-wortspiele.eu oder muffatwerk.de

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SZ vom 12.05.2021
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