Süddeutsche Zeitung

Wohnungsbau:Bauherren sollen für Folgekosten zahlen

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Wer in Garching zusätzlichen Wohnraum schafft, wird künftig wohl für die nötige Infrastruktur zur Kasse gebeten

Von Gudrun Passarge, Garching

Um 371 Quadratmeter will ein Investor bei einem Bauprojekt in Hochbrück die Geschossflächenzahl überschreiten. Im Bauausschuss des Garchinger Stadtrats löste das eine Diskussion über die Infrastrukturfolgekosten aus. "Die 371 Quadratmeter, das ist eine geschenkte Fläche, wir haben nichts davon", sagte Alfons Kraft (Bürger für Garching). Auf die Stadt kämen hohe Kosten im Kita- und Schulbereich zu. Die Gruppierung hat inzwischen einen Antrag eingereicht, eine Satzung zu erarbeiten, wonach die Stadt künftig auch im Falle von Wohnraummehrung die Erstattung von Kosten für die Infrastuktur verlangen kann.

Das Bauprojekt an der Jahnstraße ist nicht neu. Der Bauherr möchte dort zwei Reihen mit Reihenhäusern und zwei Mehrfamilienhäuser samt Tiefgarage errichten. Doch der erste Plan wurde abgelehnt, unter anderem wegen der Proteste der Nachbarn. Jetzt hat der Bauherr zwei neue Varianten eingereicht. Bürgermeister Dietmar Gruchmann (SPD) versicherte, dass darin die Abstandsflächen so verschoben wären, "dass es keine ganz so große Verschattung mehr gibt in der Abendsonne". Variante zwei wird von der Verwaltung priorisiert. Die Reihenhäuser im Westen und die Splitlevelhäuser im Norden blieben dabei so situiert wie im ersten Antrag, die Mehrfamilienhäuser wurden jedoch verkleinert und nach Westen verschoben. Die Abstandsflächen zu den Nachbarn wurden damit von drei auf fünf Meter erhöht.

Bei dieser Variante würde der Bauherr die erlaubte Geschossflächenzahl allerdings immer noch um 371 Quadratmeter überschreiten, bei Variante drei nur um 122 Quadratmeter. Trotzdem waren sich alle einig, dass Variante zwei die bessere ist. Die Nachbarn könnten damit leben, sagte etwa Christian Furchtsam (CSU), "Variante zwei passt da am besten hin".

Allerdings sahen mehrere Stadträte die Wohnraummehrung durchaus kritisch. Kraft hatte erläutert, dass durch Nachverdichtung, die durchaus erwünscht sei, zwischen 2000 und 2020 allein 2000 neue Einwohner hinzugekommen seien, nur durch Befreiungen von der vorgegebenen Geschossfläche und großzügiger Auslegung etwa auch im Außenbereich. "Dadurch ist ein großer Zuwachs an Wohnraum entstanden, der eine Zunahme an Infrastrukturkosten generiert und finanziell auszugleichen ist", stellte er fest. In Neubaugebieten würden schließlich circa 70 Euro pro Quadratmeter Geschossflächenzahl verlangt, deswegen forderte er auch für die Jahnstraße nachzuverhandeln. Für einen dringend erforderlichen Schulneubau in Hochbrück schlug er vor, eine Leichtbauweise zu prüfen, "hier ist Eile geboten".

Der Bürgermeister stimmte Kraft und dessen Überlegungen zu den Infrastrukturfolgekosten zu, riet aber davon ab, im Nachgang jetzt noch etwas vom Bauherrn zu fordern. "Erst beschließen, dann verlangen", war sein Vorschlag. SPD-Fraktionssprecher Götz Braun unterstrich die Argumentation des Bürgermeisters. Zukünftige Verhandlungen mit Bauherren sollten aber so geführt werden, dass sie über eine mögliche Änderung informiert wären, "im Sinne einer gerechten Lastenverteilung", so Braun. Zustimmung erhielt Kraft auch von den Grünen. Walter Kratzl fand 371 Quadratmeter seien eine ganze Menge, dann müsse der Investor eben um vier Wohnungen reduzieren: "Ich kann mir nicht vorstellen, dass es sich dann nicht mehr rentiert".

Ebenfalls angesprochen wurde die Situation der bisherigen Mieter, die in dem alten Haus wohnen, das abgerissen werden soll. "Wir schaffen Wohnraum für Leute, die es sich leisten können und vernichten günstigen Wohnraum", konstatierte Braun, und Kraft befürchtete: "Diese Leute fallen uns womöglich auf die Füße." Vom Investor gebe es dazu keine Antwort. Der Bauausschuss erteilte dennoch gegen die Stimmen von Kraft und den beiden Grünen das Einvernehmen mit Variante zwei inklusive vorbehaltlicher Zustimmung zur Wohnraummehrung, je nach weiterer Planung.

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SZ vom 03.06.2020
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