Süddeutsche Zeitung

Unterwegs mit dem Bierbike:Bier auf Rädern

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Für die einen ist es Spaß pur, für die anderen "eine Zumutung". Auf einem Bierbike wird geradelt, gefeiert und getrunken. Ein Gericht will die Fahrten nun erschweren. Eine Probetour.

Isabel Meixner

Auf den ersten Blick kommt man sich vor wie in einer Kneipe im Freien: Zwei Tresen, zwölf Barhocker, mehrere Gläser Bier, eine Zapfanlage. Wenn da nicht der kleine, aber feine Unterschied wäre: Die Fußstützen der Barhocker sind gegen Pedale ausgetauscht, im Tresen befindet sich eine Vertiefung für die Gläser - und die Kneipe rollt.

Das Bierbike ist aus manchen Städten Deutschlands nicht mehr wegzudenken. Das Prinzip des Partygefährts ist einfach: Man nehme ein paar Freunde, trinke Bier und fahre durch die Innenstädte. Doch damit könnte bald Schluss sein: Das Düsseldorfer Verwaltungsgericht hat Anfang Oktober verboten, dass Bierbikes ohne Sondergenehmigung auf öffentlichen Straßen fahren dürfen (Az. 16 K 6710/09). Die BierBike GmbH hat angekündigt, gegen dieses Urteil vor die nächste Instanz zu ziehen.

Wird die Regelung dennoch rechtskräftig, können künftig die Städte entscheiden, ob sie die Party-Mobile erlauben oder nicht. In München hat die Stadt schon vor der Urteilsverkündung den Bierbike-Betreiber aufgefordert, eine Sondergenehmigung zu beantragen. Da das technische Gutachten fehlt, wurde sie noch nicht erteilt. Und solange es keine Sondergenehmigung gibt, kann das Polizeipräsidium die Fahrten durch München stoppen.

Darauf hoffen die sechs Männer, die in einer kleinen Seitenstraße in der Nähe des Viktualienmarktes auf ihr gebuchtes Bierbike warten, nicht. Sie wollen in erster Linie eins: Feiern - "aber gediegen", meint Marc. Sein Freund Sebastian heiratet in zwei Wochen, und der Junggesellenabschied soll etwas Besonderes werden. Auch das Outfit passt zu einem eher ruhigen Abend: Die Männer tragen Hemden, legere Jeans und Business-Schuhe.

Ihr Chauffeur Martin bereitet das Bierbike für die Fahrt vor. Er zapft ein 20-Liter-Fass an und gibt die erste Runde Bier aus. Nur sich selbst nicht, für ihn als Fahrer gilt die 0,0-Promille-Grenze. Dann geht es los, aber nicht so einfach, wie sich die Männer das vorgestellt hatten: Um das ein Tonnen schwere Party-Mobil zu bewegen, müssen sie kräftig in die Pedale treten. Martin muss hingegen nicht strampeln - was die Partygesellschaft mit Sprüchen quittiert: "Da sieht man aber schon eine kleine Wampe, Martin!"

Lust und Frust bei Autofahrern

Zu "Sch- Sch- Sch- Schickeria" rollt das Party-Mobil in Schrittgeschwindigkeit die Reichenbachstraße hinunter. Ein entgegenkommendes Auto muss rechts ranfahren - für zwei Fahrzeuge ist die Straße nicht breit genug. Martin bedankt sich mit einem Winken, die Männer mit einem "Prost". Dann zapfen sie das nächste Bier.

Während die Männer trinken und sich die Gespräche um Verlobungsringe und Hochzeiten drehen, muss Martin den Verkehr im Blick haben. Die Reaktion der Autofahrer auf das Bierbike sind unterschiedlich: Die einen überholen genervt, die anderen hupen und grölen aus den offenen Fenstern.

Martin gibt sich Mühe, den Verkehr nicht zu behindern. Meist gelingt ihm das auch. Nur einmal wird es brenzlig: Das Bierbike überquert eine Kreuzung nicht schnell genug und stößt beinahe mit einer alten Dame auf der anderen Straßenseite zusammen. "Ihr müsst stärker treten", fordert er die Männer auf.

Direkt nach der Ampel schlägt das Partyfahrrad den Weg zum Englischen Garten ein. Hier zwingen die vielen Spaziergänger es dazu, langsam zu fahren. Das Bike kommt gut an, viele Touristen holen ihre Kamera heraus und machen Fotos. Nur wenige schütteln den Kopf. Am Chinesischen Turm gibt es eine Pause. Sofort ist das Gefährt von Schaulustigen umgeben. Ein kleines Mädchen möchte auf dem Fahrersitz Platz nehmen, ein paar Jugendliche Bier. Ein Familienvater zieht unter dem Kinderwagen seines Babys sogar einen Maßkrug hervor und lässt ihn auffüllen.

Der Rückweg führt über den Marienplatz. Als die Gruppe kurz stehen bleibt, kommt ihnen ein Mann mit Handschellen und Gefängnisklamotten entgegen - auch ein Bräutigam in spe, der seinen Junggesellenabschied feiert. Da auf dem Bierbike noch Platz ist, steigen er und seine Freunde mit auf und radeln die restlichen Meter mit.

Zurück auf dem Gelände der Rikscha-Mobil GmbH erwartet Geschäftsführer Dominic Staat die Gruppe. Dass sein Partyfahrrad polarisiert, weiß Staat: "Uns ist wichtig, dass wir mit der Stadt ein Einvernehmen haben. Deshalb haben wir die Sondergenehmigung schon vor dem Urteil beantragt, obwohl noch nicht abschließend geklärt ist, ob sie überhaupt notwendig ist."

Damit sich die Münchner nicht über die Fahrten aufregen, werde jeder Gast auf den Bierbike-Kodex hingewiesen. Auf der Tabuliste stehen unter anderem Pöbeleien und Randalieren. "Wer sich nicht daran hält, muss mit der U-Bahn nach Hause fahren." Ohne Bier, versteht sich.

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