Süddeutsche Zeitung

Unterschleißheim:Auf der Startrampe ins Leben

Lesezeit: 2 min

An den sechs Realschulen erhalten die Absolventen ihre Abschlusszeugnisse

Von Antonia Dieterle, Unterschleißheim

"Bist du ein bisschen aufgeregt?", fragt ein Mädchen ihre Freundin. Sie nickt und antwortet nervös: "Ja, schon." Gemeinsam schreiten die beiden Schülerinnen der Therese-Giehse-Realschule durch den Eingang des Bürgerhauses in Unterschleißheim. Es ist der Tag, auf den sie mehr als sechs Jahre hingearbeitet haben: An diesem Freitag erhalten sie und weitere 112 Absolventen der Realschule im Münchner Norden ihre Abschlusszeugnisse. Die Ergebnisse können sich durchaus sehen lassen und überbieten sogar die Zensuren der vorherigen Abschlussklasse. 23 Schüler haben an der Therese-Giehse-Realschule ihren Abschluss mit einer Eins vor dem Komma abgelegt.

Es herrscht Heiterkeit in der Aula des Bürgerhauses. Zwischen Dirndl und Lederhose, Turnschuhen und High Heels werden Kuchentabletts durch die Menge gereicht. Die letzten Tonproben erfolgen, bevor die beiden Schüler Sophia und Puya zum Mikrofon greifen, um die große Anzahl der Gäste dieser Feier zu begrüßen.

Die Therese-Giehse-Realschule ist eine von sechs Realschulen im Landkreis München, die ihren Schülern an diesem Freitag die Zeugnisse verleiht. Anlässlich des besonderen Tages haben sich die Schüler der Abschlussklasse 2018 ein Motto ausgedacht: Auf dem Programmheft ist ein Filmstreifen abgebildet, die drei Bilder zeigen, wie vom Jahr 2004 bis 2018 Kinderfüße in anfangs viel zu große Schuhe wachsen. Ralf Peetz, stellvertretender Schulleiter der Therese-Giehse-Realschule, sendet in seiner Ansprache wichtige Botschaften an die "Hauptdarsteller" dieses Tages. Sie seien mit der Verleihung ihrer Zeugnisse in die Schuhe gewachsen, die nun perfekt passten. Als Peetz einen goldenen Umschlag zückt und den entscheidenden Moment der bekannten Oscar-Verleihung nachstellt, fällt die erste Nervosität der Schüler sichtlich ab. Auch Oberschleißheims Bürgermeister Christian Kuchlbauer kommt jedes Jahr gerne zur jährlichen Entlassfeier. Er rät den Schülern, ihren eigenen Weg zu finden und dafür zu sorgen, dass sie für andere Menschen offen blieben. Die Schüler bräuchten keine "Influencer" aus sozialen Medien, sondern sollten selbst herausfinden, wer sie sind. Welchen Beitrag die Schule dazu leistet, wird nicht nur durch die engagierte Schüler- und Lehrerschaft sowie die große Anzahl von Musik-, Video- und Wortbeiträgen auf der Abschlussfeier gezeigt.

Die Schülersprecherin und Absolventin Sophia Thorwächter betont in ihrer Rede, dass die Verbindung von Schülern und Lehrern "so besonders" sei und täglich das Schulmotto gelebt werde: "Wenn aus Du und Ich ein Wir wird." Die besondere Verbindung und das persönliche Miteinander zwischen Schülern, Eltern und Lehrern der Schule betont Klaus Linberg, der Vorsitzende des Elternbeirats, der in seiner Rede eine "Lanze für das Schulsystem bricht". Er wendet sich mit klaren Worten an die 114 Absolventen, für die dieser Abschluss kein Endpunkt sei, sondern vielmehr eine "Zwischen-Etappe" und "Abschussrampe" für das weitere Leben.

Auch für Anne Wolf, die Einser-Absolventin, wird es weitergehen. Sie plant einen Abschluss im technischen Zweig an der Fachoberschule Unterschleißheim, um danach Architektin zu werden. Ob Anne ahnte, dass sie mit 1,0 die beste Absolventin werden würde? "Nein, nicht wirklich", sagt sie und lächelt. Dass die Abschlussveranstaltung auch dazu genutzt wird, vergangene Erlebnisse der Schulzeit aufzuarbeiten, zeigt Annette Ganssmüller-Maluche. Die stellvertretende Landrätin sorgt für Heiterkeit - sowohl unter den Schülern als auch bei Eltern und Lehrkräften - als sie Einblick in ihre eigene Schulzeit gewährt. Latein sei zwar nicht ihre Stärke gewesen, aber sie zeigt den Schülern, wie aus einem Misserfolg ein Erfolg werden kann: Heute ist sie mit ihrem Lateinnachhilfelehrer verheiratet und Mutter von drei Kindern.

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Quelle:
SZ vom 21.07.2018
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