Süddeutsche Zeitung

Unterhaching:Kinder klären über Kinderarbeit auf

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Ein Podcast der Klasse 6d des Lise-Meitner-Gymnasium gewinnt den ersten Platz beim Bundeswettbewerb für politische Bildung.

Von Tilmann Wensky, Unterhaching

Mit Kinderarbeit sollte sich jeder auseinandersetzen. Jeder ist Konsument. Und beim Einkauf der Kleidung, der Lebensmittel und vieler anderer Konsumgüter stellt sich die Frage, ob man mehr Geld für Qualität mit Gütesiegel hinlegt. Denn in vielen Produkten steckt Kinderarbeit. Buben und Mädchen schuften auf Baumwollfeldern, auf Kakaoplantagen oder in Bergwerken, in denen seltene Erden für elektronische Geräte geschürft werden. 29 Schülerinnen und Schüler des Lise-Meitner-Gymnasiums in Unterhaching haben sich mit ihrer Lehrerin Stephanie Wolf lange mit dem Thema befasst und einen Podcast erstellt. Sie sind jetzt Experten, was das alles angeht. Sie haben es sogar schriftlich, mit Brief und Siegel.

Bis eben ist es ein normaler Unterrichtstag für die 29 Kinder der Klasse 6d. Ein Schüler liest aus einem Schulbuch vor, als sich die Tür öffnet und ein Mann im Anzug das Klassenzimmer betritt. Es handelt sich um Hans-Georg Lambertz, den Leiter des Bundeswettbewerbs für politische Bildung. Ein leises Tuscheln geht durch den Raum: "Hat das mit dem Podcast zu tun?", fragen sich viele. Und dann kommt die Aufklärung. Ja, es hat. Denn Lambertz ist zu einem Überraschungsbesuch gekommen, um der Klasse eine Urkunde im Format eines großen Schecks zu überreichen. "Ihr habt den ersten Preis gewonnen und fahrt auf Klassenfahrt nach Bonn!", ruft Lambertz. Darauf bricht lauter Jubel im Klassenzimmer aus. Einige Kinder springen begeistert von ihren Stühlen auf.

Auf Initiative der Klassenlehrerin waren sie das Podcast-Projekt angegangen. Das siebenminütige Hörstück prägt nicht eine Moderatorenstimme. Es ist eine Vielzahl an Kinderstimmen zu hören. Nahezu alle Schülerinnen und Schüler übernahmen eine Sprechrolle. Inhaltlich spielt der Podcast auf mehreren Ebenen. Er wird durch die Diskussion einer Familie eingeleitet, ob das Ausräumen der Spülmaschine nun Kinderarbeit sei oder nicht. Davon ausgehend hören die Familie - im Sinne von Podcast im Podcast - den Podcast der Klasse 6d, der verschiedene Aspekte der Kinderarbeit vorstellt: Es wird definiert, was Kinderarbeit ist und deren Ursachen werden beleuchtet. Dazu gibt es ein Interview mit dem Lieferketten-Manager des Autobauers BMW und Ratschläge, wie man beim Einkauf Produkte meidet, die unter Kinderarbeit entstanden sind.

"Ich konnte sogar meinen Eltern etwas beibringen"

Die Schüler teilten sich bei der Erarbeitung des Podcasts nach Interessensbereichen in Kleingruppen auf. Die einen übernahmen die Recherche und das Vorbereiten des Interviews, andere die technische Umsetzung. Sie spielten Soundeffekte und Musik selbst ein, nahmen die Sprechrollen auf und schnitten den Audiobeitrag. Den Beginn des Projekts beschreibt Simon als chaotisch. "Doch dann wurde es richtig gut", sagt er.

Der Großteil der Klasse hatte zu Beginn von der Problematik Kinderarbeit nur leise Ahnung. Das änderte sich im Laufe des Projekts. "Ich konnte danach sogar meinen Eltern etwas beibringen", berichtet Maja. Die Kinder waren geschockt, als sie erfuhren, wie viele ihrer täglich genutzten Produkte, wie Lebensmittel oder Kleidung, unter Einsatz von Kinderarbeit entstehen. Deswegen möchten sie ihr Konsumverhalten ändern. Manche sind idealistisch eingestellt und sich sicher, dass sie nie wieder mit Kinderarbeit behaftete Produkte kaufen werden. Andere geben sich gezwungenermaßen pessimistischer. "Ich werde darauf achten, aber es wird schwierig, es komplett zu vermeiden", sagt Mia. Simon möchte gewisse Marken vermeiden und besonders auf die Gütesiegel vertrauen.

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