Süddeutsche Zeitung

Meine zweite Heimat:Einer, der sich reinkniet

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Der Afghane Mahdi Amiri kämpft seit seiner Ankunft 2015 um beruflichen und sportlichen Erfolg - manchmal auch gegen behördliches Desinteresse.

Von Angela Boschert, Unterhaching

"Ich weiß, wie es ist, wenn man sich nicht willkommen fühlt", sagt Mahdi Amiri, der seit 2015 in Deutschland lebt. Er fühlt sich wohl hier, will sich ein Leben aufbauen, bedauert aber, dass er immer noch Ablehnung spürt. Amiri hat früh verstanden, wie wichtig Sprachkenntnisse sind und hat sich in dem Punkt reingekniet. Mit Erfolg! Und man kennt den sympathischen Afghanen in der Kickbox-Szene, wo er sich ebenfalls reingekniet und durch hartes Training einen Namen gemacht hat, 2019 war er Deutscher Meister.

Um eine sinnvolle Arbeit zu finden, die ihn erfüllt, machte er Praktika als Mechaniker, Fliesenleger, im Altenheim und Einzelhandel und fand schließlich bei Fielmann einen Ausbildungsplatz zum Optiker. Der 25-Jährige arbeitet noch heute dort. Schon länger wollen sein Arbeitgeber und er, dass er die Meisterschule besucht, doch mussten sie lange auf die behördliche Genehmigung warten.

Eine Sache, die weder er noch seine Vermieterin Renate Weidlich, die sich um viele Flüchtlinge kümmert, verstehen. Amiri sei integriert, habe einen feste Stelle und seinen Wohnsitz bei ihr in Unterhaching: "Woran hakt's?", fragt sie ratlos. Amiri ergänzt: "Ich fühle mich richtig wohl hier, aber wenn wir wieder ins Amt müssen und ich spüre, dass die uns nicht für voll nehmen, werde ich ganz traurig".

Dennoch ist da keine Wut in seinen Worten. Vielmehr bemüht er sich um Verständigung und hat in einem Film beim Münchner Kinokollektiv "Kino Asyl", wo er sich engagiert, seinen Geburtsort - das kleine Jaghuri - vorgestellt, das vier Autostunden südwestlich von Kabul liegt.

Das musste er 2013 verlassen und gelangte über Pakistan, Iran, die Türkei, Griechenland, Ungarn und Österreich letztendlich nach Deutschland. Während seiner zweijährigen Flucht saß er ebenso im Gefängnis wie er sich unter einen Zugwaggon klemmte, um weiterzukommen.

Bei seiner Ankunft in München staunten die Verantwortlichen, dass er einige Worte Deutsch sprach. Die hatte er in Österreich gelernt und bemühte sich fortan, Deutsch zu lernen, wo und wann immer möglich. Er spricht es heute flüssig, doch fragt er sich traurig: "Warum sagte eine Mitarbeiterin beim Amt zu mir, Sie schaffen die Ausbildung sowieso nicht?". Sie kannte nur seine Papiere, nicht ihn selbst. Amiri wünscht sich mehr Offenheit bei allen, so wie er sie bei der Familie von Renate Weidlich, in der Arbeit und beim Sport erlebt und sagt überzeugt: "Nicht alle Flüchtlinge sind unfähig oder schlecht!"

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