Süddeutsche Zeitung

Wachhütte in Unterhaching:Après-Party vor dem Maifest

Lesezeit: 4 min

Die Birker Burschen stellen den Maibaum in Unterhaching auf. Dabei ist Durchhaltevermögen gefordert, insbesondere beim Feiern.

Von Markus Mayr, Unterhaching

An diesem späten Samstagabend pumpen Lautsprecher den Sound von Schlagern und Chart-Songs durch die Blockhütte. Christina Aguilera singt vom "Candyman", der ihr die Jungfräulichkeit nimmt. Das Lied ist zehn Jahre alt, aber zeitlos in den Ohren der Gäste. Sie tummeln sich in Scharen im Inneren der Hütte und auf der Terrasse, bewegen sich mehr oder weniger gekonnt zum Rhythmus der Musik, trinken viel und sind in Flirtlaune. Die Feier im Rahmen der Maibaumwache läuft so, wie die Birker Burschen es geplant haben. Im organisieren von Festen sind sie Profis.

Ein paar der Jungs sind trotz der nächtens noch kühlen Temperaturen in kurze Lederhosen geschlüpft. Die Tracht mag nicht zur Musik passen, wohl aber ist sie zugeschnitten auf den Charme der Hütte. Die ist mit dem gefleckten Kuhfell an der Außenwand, den rustikalen Eckbänken und dem gut besuchten Tresen innen eine Mischung aus Alm- und Après-Ski-Hütte. Vor wenigen Stunden noch trugen die Burschen allesamt Arbeitshosen, zum Schutz vor der Kettensäge und widerspenstig herumfliegenden Holzteilen.

Über Wochen werkelten die Burschen an ihrer Hütte

Mitte März haben die Jungs ihre Maibaum-Wache vorbereitet. Sie haben den gut 31 Meter langen Maibaum aus einer Nachbargemeinde herangekarrt und hinter der Hütte aufgebahrt. Eskortiert hat den Schwertransport die Polizei, etwa 100 Menschen haben ihn jubelnd in Unterhaching begrüßt. "Das war schon toll", berichtet der Vorsitzende. Der 24 Jahre alte Franz Maier ist mit seinen Mannen seit Mitte Februar täglich damit beschäftigt gewesen, die Hütte auf der Wiese hinter dem Friedhof hochzuziehen. Ob sie stehen bleiben darf nach dem 1. Mai ist fraglich.

Noch läuft der Holzbau unter "Feldstadl", wie Bürgermeister Wolfgang Panzer (SPD) erklärt. Ob der "Stadl" nachträglich mit geändertem Bebauungsplan legalisiert werden kann, weiß er noch nicht. Die Burschen haben bereits angefragt. Über das Schicksal der Hütte entscheiden muss allerdings der Gemeinderat und das Landratsamt muss sie genehmigen. Doch Panzer ist "optimistisch", dass sich die Gemeinde und die Burschen einig werden. Deren Vorsitzender teilt die Zuversicht des Bürgermeisters. Auch wenn Maier weiß, dass es ganz "großes Glück" war, dass der Eigentümer der Wiese als "großer Gönner" dem Bauprojekt sein Okay gegeben hat. Einen Plan B für die Wache hatten sie nicht.

Bei diesem Fest schenken die Burschen 7500 Liter Bier aus

Die Glonner Wiese ist ausgewiesenes Überschwemmungsgebiet und dafür gedacht, beizeiten den Friedhof zu erweitern. An dessen Mauer grenzt die Hütte, die im Grundriss zwölf auf sechs Meter misst. Diese Nähe findet der Bürgermeister aber nicht schlimm. "Schon sehr lange feiern die Burschen auf dieser Wiese die Sonnwende", sagt Panzer, nie habe es Probleme gegeben. Das ist beachtlich, denn die Burschen schenken bei diesem Fest nach eigenen Angaben bis zu 7500 Liter Bier aus. Nicht jeder Angetrunkene dürfte sich gesittet verhalten. Während einer sechswöchigen Maibaumwache gingen so an die 3000 Liter Bier weg, 300 Kästen, sagt Maier.

Hinter der Mauer schlummern also die Toten, vor ihr wachen die Burschen über ihren Maibaum; bestenfalls mit weit offenen Augen. Denn: "Jeder Maibaum ist klaubar", sagt einer und klingt überzeugt. Für den im Stehlen ungeübten Betrachter scheint es indes schier unmöglich zu sein, einen solch monströsen Baum mal eben zu entwenden. Obwohl die Burschen den Stamm schon mit der Motorsäge "geschnitzt" und von Rinde und Bast befreit haben, wiegt der gerne drei Tonnen. Mit der richtigen Manpower sei aber alles möglich, sagt Maier, als er von einem Klauversuch vor zwei Jahren berichtet.

Doch nicht die Birker Burschen wurden da beklaut. Nein, die Unterhachinger selbst wollten ihren Nachbarn, den Zornedingern, ihr Prachtstück entwenden. "Am Nachmittag ist uns die Idee gekommen", sagt Maier. "Und in der Früh um 3 Uhr sind wir dann mit 80 Leuten nach Zorneding gefahren." Dort haben sie die Lage gecheckt und den Raub vorbereitet. Sie haben Büsche ausgeschnitten und Straßenschilder abmontiert. Alles schien bereit. Dann hat der Wachhabende sie doch entdeckt. "Es hat echt lange gedauert, bis der uns gesehen hat", erzählt Maier. Um als 80 Mann starke Truppe nicht sofort aufzufallen, müssen die Unterhachinger leise vorgegangen sein und sich gut versteckt haben.

Im potenziellen Vereinsheim gibt es einen Bierlift für die Alt-Burschen

Ihr potenzielles Vereinsheim, das derzeit Wachhütte ist, ist dagegen alles andere als versteckt. Das hölzerne Blockhaus hebt sich mit dem roten Ziegeldach deutlich vom Grün der Wiese und Bäume am Ortseingang ab. Die Zufahrt haben die Jungs aufgeschottert, auf der Straße einen Toilettenwagen postiert, den Platz vor der Hütte gepflastert. "Bis auf einen Wasserinstallateur haben wir jeden Beruf im Verein", sagt Maier. Demnach konnten sie den Ausbau komplett selbst stemmen. Die Hütte an sich haben sie einem Deisenhofener abgekauft, der sie in Einzelteilen eingelagert hatte. Beim Aufbau halfen die Alt-Burschen kräftig mit; die Ehemaligen also, die inzwischen verheiratet sind. Zum Dank dafür ist für sie ein runder Stammtisch in der Hütte reserviert. Und weil dieser so weit weg vom Tresen ist, wo das kalte Bier lagert, haben die Jung-Burschen ihren Vorgängern einen Bierlift gebaut. "Den weltweit ersten", wie Maier betont.

Fast in Reichweite vom Stammtisch aus steht der Münzkasten. Wer diesen Automaten füttert, bringt eine Rundumleuchte zum blinken und signalisiert damit dem Bursch' an der Bar: "Obacht, Bier gewünscht". Sogleich muss dieser dann den Lift befüllen. Ein an der Wand entlanglaufendes Förderband liefert die Bestellung. Die Bar ist gut bestückt, der Lieferant 24 Stunden täglich abrufbereit - er ist ein Ehemaliger. Die sechswöchige Wach-Party mit wechselndem Programm läuft allein deshalb gut. Heimlich werden die Burschen dann erschöpft aufatmen, wenn die Non-Stop-Feier mit dem 1. Mai zu Ende geht. Nicht umsonst stellen sie nur alle vier Jahre einen Maibaum. Der Aufwand ist gigantisch, zeitraubend und jeder kommt wohl mal an seine Grenzen. "Irgendwann kommt in dieser Zeit ein Loch", sagt Maier dazu. Doch stets würde bald darauf alles wieder im Spaß enden.

Das Programm der Wache haben die Burschen als Foto auf ihrer Facebookseite veröffentlicht: www.facebook.com/birkerburschen

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Quelle:
SZ vom 11.04.2016
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