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Advent für Anfänger:Kleine Zutat, große Wirkung

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Rosinen erst geben dem Stollen sein besonderes Aroma - und machen ihn länger haltbar, weiß Bäckermeister Sebastian Brücklmaier aus Unterhaching.

Von Angela Boschert, Neubiberg

Wunderbar durftet es in der neuen Filiale der Bäckerei Brücklmaier in Unterhachings Hauptstraße. Schnell hat man die Quelle des köstlichen Dufts entdeckt: hausgemachte Münchner Kindl Stollen fesseln den Blick des Besuchers. Mit ihren vielen Rosinen sorgen sie sogar im englischen Königshaus seit einigen Jahren für leuchtende Augen. Für die Queen hatte Bäckermeister Sebastian Brücklmaier noch ein besonderes Gewürz an den Stollen gegeben, das er und die ganze Familie streng geheim halten. Warum er, der eigentlich den Mandelstollen favorisiert, dem Rosinen-trächtigen Münchner Kindl Stollen viel abgewinnen kann, wird deutlich, wenn er über die Zutat Rosinen spricht.

Diese gehören nicht zum ursprünglichen Gebäck, das 1389 erstmals im Naumburger Innungsprivileg als Stollen bezeichnet wurde und aus Weißmehl und Wasser bestand. 1491 erlaubte Papst Innozenz der VIII. im sogenannten Dresdner Butterbrief, dass in dem kargen Gebäck auch die in der Fastenzeit verbotene Butter verwendet werden darf. Rosinen sind darin nicht erwähnt, gehören heute aber dazu, wenn von Stollen ohne nähere Bezeichnung die Rede ist.

Als Rosinen gelten prinzipiell alle getrockneten Weinbeeren. Für die Stollenherstellung eignet sich die Sorte Sultana besonders gut, die als sogenannte Sultaninen im Unterschied zu Rosinen vor dem Trocknen mit einer Mischung aus Pottasche und Öl besprüht werden. Dadurch trocknen sie einerseits schneller, andererseits bleiben sie weich, werden süßer als Rosinen und erhalten ihre typisch goldgelbe Farbe.

Mit dem Einlegen der Rosinen in Rum beginnt bei Brücklmaiers die Stollenherstellung. 14 Kilogramm bester australischer "Sultans Vintage" nehmen in drei bis sieben Tagen drei Liter Rum auf, benennt der 31-Jährige die Größenordnungen und betont, dass sie "das Rum-Aroma an die Krume, also das Innere des Stollens, abgeben, während das fertige Gebäck lagert". Die teuren Sultaninen dürften aber nicht zerfallen. Daher werden sie erst im letzten Arbeitsschritt langsam in den Hauptteig untergeknetet. Die Betonung liegt auf langsam - und man ergänzt innerlich behutsam.

Die Rosinen sorgen dem Fachmann zufolge auch dafür, dass der Stollen lange hält. Das habe man schon vor Jahrhunderten festgestellt, so Brücklmaier. Der Alkohol entweiche durch das lange Backen, aber konservierende Wirkungen blieben erhalten. Abgesehen von ihrem fruchtig-köstlichen Geschmack tragen die edlen Sultaninen also mit dazu bei, dass die Stollen die Adventszeit gut überstehen.

In dieser Kolumne erklären bis zum Heiligabend täglich Profis Bräuche und Traditionen der Advents- und Weihnachtszeit.

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