Süddeutsche Zeitung

Bushaltestellen in Taufkirchen:Orientierung im Eimer

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Seit einem Jahr ist das Wartehäuschen an einer Bushaltestelle in Taufkirchen kaputt. Die Reparatur scheiterte bisher an den verwirrenden Namen der Stationen.

Von Michael Morosow, Taufkirchen

Im deutschen Volks- und Kinderlied "Ein Loch ist im Eimer" versucht ein nicht näher bekannter "lieber Heinrich" mit viel Geduld und Ratschlägen eine zaudernde und unaufhörlich neue Probleme erkennende "liebe Liesl" so weit zu bringen, dass sie endlich das verdammte Loch in dem Eimer flicken kann. "Dann stopf es zu!", lautet sein erster, eigentlich naheliegender Tipp. Jedes Kind weiß, dass die Sache nicht gut ausgeht, weil am Ende das Wasser fehlt, um den Schleifstein zu wässern, an dem das Messer geschliffen werden müsste, um damit das notwendige Stroh zu schneiden, mit dem das Loch zugestopft werden sollte. Was aus der Liesl und ihrem undichten Eimer geworden ist, weiß kein Mensch.

Im Taufkirchner Gemeinderat sitzt keine Liesl, auch kein Heinrich, und so weit man in der jüngsten Sitzung des Bau- und Umweltausschusses erkennen konnte, steht nirgendwo ein Eimer herum. Aber ein Loch gab es zu beklagen, wenn schon nicht in Form eines Kettenlieds, dann doch wenigstens per Anfrage an den Vorsitzenden. Rosemarie Weber, eine lang gediente SPD-Gemeinderätin, hat das mehr als faustgroße Loch im Dach eines Buswartehäuschen bereits vor einem Jahr entdeckt und moniert und dabei ihren "lieben Heinrich" im Bauamt gefunden. Dieses hatte offenbar schon vor einem Jahr angekündigt, ". . . dann flicken wir's", weshalb Rosemarie Weber vielleicht nicht ganz zu Unrecht von einer "unendlichen Geschichte Bushaltestelle Platanenstraße" sprach.

Die Haltestelle "Platanenstraße" liegt an der Waldstraße

Bauamtsmitarbeiter Walter Strobel stand in diesem Moment wahrscheinlich kurz davor zu sagen: "Da ist schon lange kein Loch mehr, liebe Rosemarie." Aber Weber kam ihm zuvor und berichtete, sie habe gerade eben einen Abstecher zur Bushaltestelle gemacht, weshalb sie auch zu spät zur Sitzung gekommen sei. Und das Loch im Dach, so behauptete sie steif und fest, sei immer noch da. Sie sagte dies im Brustton der Überzeugung, gerade so, als hätte sie vor wenigen Minuten eine Faust durchgestreckt.

Was oder wer also hat hier einen Dachschaden? Diese Frage hätten in diesem Moment die Gemeinderätin und der Bauamtsmitarbeiter sicherlich ganz unterschiedlich beantwortet. Ehe aber irgendjemandes Wahrnehmungsvermögen in Zweifel gezogen werden konnte, trug Walter Strobel mit einer sehr wichtigen Zusatzinformation zur Aufklärung bei. Er habe sich an der Bushaltestelle an der Platanenstraße umgesehen und dort kein Loch im Dach entdeckt, sagte er. Worauf Rosemarie Weber darlegte, es handele sich eben nicht um die Bushaltestelle an der Platanenstraße, sondern vielmehr um die Bushaltestelle "Platanenstraße" - und die wiederum liege an der Waldstraße.

"Das schauen wir uns gemeinsam an", sagte Strobel. "Ich erwarte sie um 8 Uhr an der Bushaltestelle", erwiderte Weber. Die erste Strophe der Taufkirchner Version des deutschen Volks- und Kinderliedes ("Das Dach ist im Eimer, liebes Bauamt" - "Ja welches, liebe Rosemarie?") ist also bereits gesungen. Zur Behebung des Dachschadens fehlt also nicht mehr viel. Schleifstein, Messer, Stroh dürften im Baubetriebshof zu finden sein. Und sollte sich kein Eimer ohne Loch auftreiben lassen - dann muss es halt irgendwie anders gehen. Die Sache schreit nach einer Machbarkeitsstudie.

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SZ vom 02.08.2016
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