Süddeutsche Zeitung

SZ-Serie "Die Weihnachtsmacher":Selbst ist der Mann

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Bei Hans Adlberger in Aying kann jeder seinen Baum eigenhändig sägen

Von Stefan Galler, Aying

Noch ein paar Holzscheite oben in den Kamin des alten Traktors, dann schwingt sich Hans Adlberger wieder auf seinen Sitz und tuckert los. Hinten in den drei angehängten Waggons sitzen Kinder mit ihren Eltern und machen große Augen bei der Fahrt rund um den 25 Hektar großen Nadelwald, den der 64-Jährige zusammen mit seiner Familie bewirtschaftet. An diesem Nachmittag ist eine Firma gekommen, um hier draußen, auf dem Christbaumhof Rauchenberg bei Aying, ihre Weihnachtsfeier abzuhalten.

Derartige Veranstaltungen würden immer häufiger nachgefragt, sagt Adlberger. Normalerweise gibt es die Rundfahrten mit der Traktor-Bummelbahn oder der Kutsche nur an den Adventswochenenden. Dann ist es hier, ein ganzes Stück hinter Großhelfendorf an der Rosenheimer Landstraße, richtig voll. Es wird Glühwein ausgeschenkt, der Duft von frischen Bratwürsten hängt in der Luft. Und die Kinder belagern die Krippe mit dem Esel, der Kuh und den zahlreichen Ziegen und Hasen.

Denn das Besorgen des Christbaums hat für viele Familien mittlerweile eine fast rituelle Bedeutung in der Vorweihnachtszeit. In Rauchenberg hält sich der Anteil derjenigen, die sich einen bereits geschnittenen Baum mitnehmen, und jener, die selbst die Säge in die Hand nehmen und sich das Gewächs ihrer Wahl fällen, in etwa die Waage, erzählt Adlberger. Noch bis Mittwoch ist täglich Selbstschneiden möglich, aber auch danach ist natürlich noch bis 23. Dezember offen - für alle, denen es bis dahin nicht ausgegangen ist, sich im Stress der Wochen vor dem Fest auch um einen Baum zu kümmern.

Seit dem 19. Jahrhundert besitzt Adlebergers Familie das Anwesen. Sein Vater hatte noch vor allem Kühe, fing dann aber schon an, Nadelbäume zu pflanzen. "Vor allem klassische Fichten", wie sein Sohn erzählt, der 41 Jahre lang bei der Berufsfeuerwehr München gearbeitet hat und sich an den freien Tagen zwischen den 24-Stunden-Diensten sein Geschäft aufbaute. Zwischenzeitlich versuchte er es auch mal mit einer Zucht von Angusrindern. Doch dann kam der BSE-Skandal. Seither geht es in Rauchenberg nur noch um Bäume.

Heute verkauft die Familie zu 80 Prozent Nordmanntannen, aber es sind auch exotischere Sorten im Angebot, etwa die Koreatanne, die Coloradotanne oder die Korktanne. Die Zirbelkiefer sei sein "Lieblingsbaum", verrät der Forst- und Landwirt, "aber da trauen sich die Leute noch nicht recht ran".

In dieser Serie stellt die SZ jeden Tag Menschen vor, die der Vorweihnachtszeit zu ihrem besonderen Zauber verhelfen.

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Quelle:
SZ vom 17.12.2018
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