Süddeutsche Zeitung

Straßennamen:Bruch mit Hitlers Steigbügelhalter

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In der Feldkirchner Bürgerversammlung spricht sich eine Mehrheit für die Umbenennung des Hindenburgplatzes aus. Nun muss sich der Gemeinderat innerhalb von drei Monaten zum dritten Mal in acht Jahren mit dem Thema befassen.

Von Patrik Stäbler, Feldkirchen

Es war eine intensive Diskussion, damals im November 2012. Genau genommen war es sogar die zweite Debatte, denn schon 20 Monate zuvor hatte der Feldkirchner Gemeinderat erstmals über eine Umbenennung des Hindenburgplatzes beratschlagt. In beiden Fällen sprach sich die Mehrheit gegen eine Namensänderung aus. Sechs Jahre und eine Kommunalwahl später wird sich das Gremium nun ein drittes Mal mit dem Hindenburgplatz beschäftigen müssen. Anlass hierfür ist ein Antrag des einstigen SPD-Gemeinderats Karl-Heinz Schmidt bei der Bürgerversammlung am Mittwochabend, dem die große Mehrheit der rund 80 Anwesenden zustimmte. Demnach soll der Hindenburgplatz "in einen der jetzigen Zeit entsprechenden Namen" umbenannt werden. Binnen drei Monaten muss dieser Antrag im Gemeinderat behandelt werden.

Bei Bürgermeister Werner van der Weck (SPD) rannte sein Parteifreund Schmidt offene Türen ein. Er sei schon lange dafür, dass "dieser unsägliche Name wegkommt". Der Rathauschef verwies auf die zweifelhafte Rolle des Reichspräsidenten Paul von Hindenburg, der 1933 Adolf Hitler zum Reichskanzler berufen hatte. Auch deshalb gilt der Generalfeldmarschall vielen Historikern als Steigbügelhalter der Nazis. Infolgedessen wurden deutschlandweit im Laufe der Zeit etliche nach Hindenburg benannte Plätze, Straßen und Schulen umbenannt. Oft hielten die Kommunen aber auch am ursprünglichen Namen fest - so wie Feldkirchen.

Als "Platz, wo der Maibaum steht" bekannt

"Der Platz heißt nicht Hitlerplatz", sagte van der Weck. "Aber aus meiner Sicht ist Hindenburgplatz nicht weit weg davon." Als mögliche Alternative brachte er den Namen Europaplatz ins Spiel oder eine Benennung zu Ehren der 2009 verstorbenen Schauspielerin Ruth Drexel, die in Feldkirchen gelebt hat. Die Erfolgsaussichten des Schmidtschen Antrags wollte van der Weck freilich nicht bewerten. "Es waren heute drei Gemeinderäte im Publikum, die ihre Hand gegen eine Umbenennung gehoben haben", gab er zu bedenken.

Einer davon ist sein Stellvertreter Andreas Janson (UWV), der auf Nachfrage sagt: "Wir haben das zweimal ausführlich im Gemeinderat diskutiert, und die Mehrheit war der Meinung, dass der Aufwand dem nicht gerecht wird." Schließlich sei der Ort im Volksmund ohnehin als "Platz, wo der Maibaum steht" bekannt. "Der Name Hindenburgplatz kommt eigentlich nur durch die Diskussion auf", sagt Janson. Und: "Hindenburg war jetzt auch nicht einer, der nur Schlechtes getan hat. Und der Name hat mit unserer Geschichte zu tun."

Bis auf den Vorstoß von Schmidt reichten die Bürger bei der Versammlung keine weiteren Anträge ein. Jedoch gab es etliche Bitten und Anfragen, etwa zum Thema Verkehr. "Ich habe überspitzt gesagt den Eindruck, dass auf Feldkirchens Straße Anarchie herrscht", meldete sich eine Bürgerin zu Wort. Hierauf entgegnete van der Weck: "Ich weiß, dass jeder denkt, vor seiner Haustür wird gerast. Aber unsere Tempomessungen, die wir im ganzen Gemeindegebiet durchführen, belegen das nicht." Wobei der Rathauschef einräumte, "dass wir alle unter dem Verkehr leiden". Die Gemeinde habe jedoch sämtliche Möglichkeiten ausgeschöpft. "Es gibt das Ei des Kolumbus nicht, weil wir hier im Verkehr ersticken."

Gemeinde will neuen Kindergarten bauen

Auf Nachfrage, wie es um die unlängst eröffnete "Notgruppe" im Kindergarten Arche Noah stehe, erwiderte der Bürgermeister, dass er diesen Begriff ablehne: "Ich habe erlebt, dass diese vierte Gruppe völlig normal läuft." Im Januar oder Februar sollen die Kinder in die neuen Räume im Keller umziehen. Überdies sei die Gemeinde am Planen, wie der Kindergarten durch einen Anbau um ein bis zwei Gruppen erweitert werden könne. Zudem befinde man sich auch auf der Suche nach einem geeigneten Areal, um dort eine neue Betreuungseinrichtung zu bauen, ergänzte der Bürgermeister. "Wir sind in Gesprächen mit Grundbesitzern. Ich bin mir bewusst, dass wir nicht erst in zehn Jahren, sondern spätestens in zwei, drei Jahren neue Krippen- und Kindergartenplätze brauchen."

In seinem Bericht und nach einem Grußwort des stellvertretenden Landrats Otto Bußjäger (FW) hatte van der Weck zwei aktuelle Ärgernisse angesprochen. Zum einen die Neugestaltung des Bräustüberls, bei der es weiterhin nicht voran geht: "Da sind uns leider keine Pläne bekannt." Zum anderen entschuldigte sich der Rathauschef für die Verzögerungen und Störungen beim barrierefreien Umbau des S-Bahnhofs - wobei er den Schwarzen Peter der Deutschen Bahn zuschob: "Wir sind definitiv nicht schuld." In dem Zusammenhang warnte Feuerwehrkommandant Andreas Mur, dass die von der Bahn errichtete Hilfsbrücke im Winter bei Eis und Schnee zu einer "Gefahrenstelle" werden könnte. Er bat daher darum, das "Stahlungetüm" in den gemeindlichen Räum- und Streudienst aufzunehmen.

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SZ vom 26.10.2018
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