Süddeutsche Zeitung

Bayerische Tradition:"Raufbolde wollen wir nicht dabei haben"

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Bis zu 20 Tänze pro Tag, und mitmachen dürfen nur ledige Männer, die durch gutes Benehmen auffallen: Die Schäffler in Aschheim nehmen ihre alte Tradition sehr ernst.

Interview von Kaja Weber, Aschheim

Dieses Jahr hat der Vorstand der Aschheimer Schäfflerzunft eine neue Gruppe lediger Männer zwischen 18 und 25 Jahren ausgewählt, um den traditionellen Tanz im Ort aufzuführen - Schäffler wird man auf Einladung, getanzt wird alle sieben Jahre. Neben Aschheim treten die Männer auch in Ebersberg, Unterhaching oder Zorneding auf. Von Oktober an wird der aktuelle Jahrgang im Pfarrheim die Choreografie einstudieren, der 22-jährige Pferdewirt Maximilian Weiß ist einer von ihnen. Günter Sassmann, Gemeinderat der Freien Wähler, war 1998 das erste Mal als Kasperl dabei, später als Reifenschwinger. Inzwischen ist er im Vorstand tätig.

SZ: Aufgrund welcher Kriterien werden die neuen Schäffler ausgewählt?

Günter Sassmann: Hauptkriterium ist der Stammbaum. Wir schauen ganz genau: Wo hat der Vater schon mitgetanzt, wo hat der Opa schon mitgetanzt? Ein weiteres Kriterium ist, wie sich der junge Mann in der Ortschaft engagiert. Er sollte ein tadelloses Auftreten in der Ortschaft bis dato gehabt haben, Raufbolde wollen wir nicht dabei haben.

Könnte also beispielsweise auch ein junger Mann, der vor ein paar Jahren nach Aschheim gezogen ist und sich seitdem stark im Gemeindeleben engagiert hat, Schäffler werden, auch wenn keines seiner Familienmitglieder zuvor bei den Schäfflern aktiv war? Gab es schon einen solchen Fall?

Sassmann: Ja, das geht, kommt auch immer wieder vor. Anzumerken ist, dass es keine leichte Aufgabe ist, aus über hundert Burschen die Auswahl zu treffen. Wir sind dankbar, uns an die Regeln der Tradition halten zu können. Wenn die Tanzgruppe steht, ist das aber alles kein Thema mehr.

Finden Sie es noch zeitgemäß, dass nur ledige, unverheiratete Männer bei Ihnen mitmachen können?

Sassmann: Ja, klar. Jede Tradition ist so viel wert, wie man an den Werten auch festhält.

In welcher Generation sind Sie dabei, Herr Weiß?

Maximilian Weiß: Ich bin der Vierte in der engeren Familie nach Opa, Vater und Bruder. Es schweift aber aus in der Verwandtschaft, wir sind auch mit der Familie Haller vom "Schäfflerwirt" verwandt. An einer Hand kann man die Vorfahren also nicht abzählen.

Hat es für junge Menschen ein besonderes Ansehen, Schäffler zu sein?

Weiß: Man hat schon seit der letzten Schäfflerzeit darüber geredet, dass man hofft, dann auch die Einladung zu kriegen. Gerade ich habe das schon seit 2012 miterlebt, weil ich vorher bei der Blasmusik dabei war, die die Schäffler begleitet. Ich glaube, für einen jungen Aschheimer, der für Aschheim und die Traditionen lebt, gibt es nichts Schöneres, als wenn die Einladung dann da ist. Wenn die Schäffler unterwegs sind, fiebert die ganze Ortschaft mit. Bei den Tänzen stehen Hunderte von Leuten außen rum. Das glaube ich kann man genießen, wenn man da als junger Mensch mitten in der Gruppe steht.

Aschheim und Dornach waren früher getrennte Orte, die Schäffler kamen nur aus Aschheim. Sind inzwischen auch Männer aus Dornach dabei?

Sassmann: Wir haben uns auf die Fahne geschrieben, die Tradition so fortzuführen, dass nur Aschheimer mitmachen können. Auch wenn es uns sehr leid tut, die Dornacher Burschen sind alles pfundige Kerle und Aschheim und Dornach sind über andere Traditionen wie den Burschenverein wunderbar in der Vergangenheit zusammengewachsen. Aber für den Schäfflertanz wollen wir das im aktuellen Vorstand nicht ändern.

Möchte man der Überlieferung glauben, waren die Schäffler dafür da, um nach den Leiden durch die Pest Schwung ins Gemeindeleben zu bringen und die Leute zu erfreuen - heute sind wir weder von der Pest bedroht, noch herrscht Mangel an Entertainment. Was ist also das Ziel der heutigen Schäffler, braucht man sie noch?

Sassmann: Die Schäfflerzeit ist eine Jahreszeit, wo es nicht immer sonnig ist wie aktuell. Es ist meistens kalt, windig, es schneit von der Seite her - die Leute da vors Haus zu locken, ist dann schon mal ein schönes Zeichen. Wir haben Zuschauerzahlen im dreistelligen Bereich. Wenn der Marsch erklingt, kriegen wir Gänsehaut jedes Mal, und genau so geht es den Leuten. Die ratschen, die tauschen sich aus. Das ist schön mitzuerleben. Menschen haben heute wahrscheinlich andere Probleme, und da tragen wir dazu bei, einen schönen Vor- oder Nachmittag zu haben, wenn man uns begleitet.

Haben Sie noch Ihre erste Tracht von früher?

Sassmann: Aus meiner Zeit als Kasperl habe ich noch die drei Gewänder, die gibt man auch nicht weiter. Die Tracht selber bleibt zur Hälfte im Vereinsfundus: der Hut, die rote Jacke, die Westen, das Leder. Schuhe, Socken, Hose, Hemden, das bleibt beim Schäffler, ist in der Regel dann aber auch abgenutzt.

Wir sitzen gerade im "Gasthof zur Post" hier in Aschheim. Hier wurde auch der vergangene Jahrgang beherbergt. Was heißt das genau?

Sassmann: Bevor wir ausmarschieren, treffen wir uns in der Früh entweder beim "Schäfflerwirt" oder "Gasthof zur Post", den Wirtschaften des Vorstandes, oder beim "Schusterwirt". Da gibt es traditionell eine Gulaschsuppe als Frühstück, jeder kann aber essen, was er meint.

Inzwischen kann man Ihre Gruppe für Auftritte vom 6. Januar an buchen. Wo werden die ersten Tänze stattfinden?

Sassmann: Fixe Termine sind der erste Tanz für den Pfarrer, der zweite Tanz für die Gemeinde und der dritte Tanz für den Tanzlehrer. Das sind traditionell feste Tänze und die wollen wir auch so beibehalten. Ansonsten tanzen wir zwischen 15 und 20 Mal am Tag, also möchten wir es so koordinieren, dass wir nicht immer direkt nebeneinander auftreten, aber auch nicht zu weite An- und Abmarschwege haben.

Wer die Aschheimer Schäffler für einen Auftritt im nächsten Jahr buchen möchte, kann sich per E-Mail an E.Haller@schafflerwirt.de wenden.

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Quelle:
SZ vom 08.10.2018
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