Süddeutsche Zeitung

Sauerlach:Zweckentfremdung erwünscht

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Der Messebauer Thorsten Hörner hat sich während der Pandemie auf den Bau von Tiny Houses verlegt. Die sind als Wohnhäuser konzipiert, doch auch andere Nutzungen sind möglich - das erste ausgelieferte Exemplar dient in einem Weilheimer Garten als externes Home-Office.

Von Tilmann Wensky, Sauerlach

Vor drei Jahren ging dem Sauerlacher Messebauer Thorsten Hörner und seinem Team die Arbeit aus. Während der Corona-Pandemie fanden schlichtweg keine Messen mehr statt, für die Stände benötigt wurden. Also entschloss er sich, sein Fachwissen für den Hausbau anzuwenden: in Form von Tiny Houses. Diese kompakten Häuser benötigen minimale Flächen, sollen aber trotzdem hohe Lebensqualität bieten. "Alles was ein herkömmliches Haus ausmacht, ist vorhanden, nur eben in kleinerem Maßstab", fasst der gelernte Schreiner das Konzept zusammen. Nun hat seine dafür neu gegründete Firma M3Living das erste Tiny House fertiggestellt und ausgeliefert.

Das Haus mit dem Namen "Living 7000 Plus" soll mit einer Wohnfläche von 24,15 Quadratmetern Platz für eine Person oder ein Paar bieten. Die Zahl im Namen steht hierbei für die Gesamtlänge von 7000 Millimetern. Die Frontseite der Fassade bilden cremefarbene Platten, die Seitenwände bestehen aus vertikalen Holzstreben.

Durch eine große Schiebetür gelangt viel Licht ins Innere. Hier sollen die dreifach verglasten Fenster für eine effiziente Wärmedämmung sorgen. Die kompakte Wohnfläche wird durch die ausgeklügelte Bauweise bis ins letzte Detail genutzt: Über eine Leiter gelangt man in eine Bettnische, die sich unter dem Dach befindet. Für den Boden, die Decke und Wände wird Holz eingesetzt. Laut Hörner "herrscht dadurch ein angenehmes Klima", in dem ökologischen Haus, das ohne Kunststoff auskommt.

Zukünftig möchte der gebürtige Gräfelfinger ein Portfolio aus sechs verschiedenen kleinen Häusern anbieten. Die Preise für die Wohneinheiten mit einer Fläche von neun bis 34 Quadratmetern reichen von 30 000 Euro bis zu 130 000 Euro. Die Lieferzeit soll im Idealfall nur bis zu drei Monate betragen, ist jedoch auch von den Zulieferern abhängig. Den Rohbau kauft das Team extern ein, um ihn anschließend selbst zu veredeln. Der Innenausbau, beispielsweise die Verlegung des Fußbodens, erfolgt in der eigenen Werkstatt in Sauerlach, wo auch Hörners Messebauunternehmen "Heilmaier Messedesign" sitzt. Zwischen der Herstellung der Stände für Fachmessen und kleinen Häusern sieht er "extrem viele Überschneidungen", da beide größtenteils aus Holz bestehen. Dementsprechend sind die Beschäftigten auch für beide Unternehmen tätig.

Generell sieht Hörner für den Markt der Tiny Houses großes Entwicklungspotenzial in verschiedenen Bereichen. So könne er sich vorstellen, dass Hotels neben dem Hauptgebäude kleine Bungalows zum Wohnen anbieten, um für Abwechslung zu sorgen. Ursprünglich vermarktete er die Wohneinheiten - ganz im Sinne der Pandemie - als zusätzliche Bürofläche im Garten. Diese Idee sei nach wie vor aktuell. Der Unternehmer sieht im Home-Office eine langfristige Entwicklung, die auch das Ende der Pandemie überdauert.

Für diese Nutzungsform haben sich auch die Kunden des ersten fertig gestellten Tiny Houses entschieden. Am Tag der Montage brach Hörner mit seinem Team morgens in Sauerlach auf, um das auf einem Tieflader festgezurrte Haus an die Kunden im Süden Weilheims auszuliefern. Es soll als Büro- und Schulungsraum im Garten neben dem Wohnhaus der Familie genutzt werden. Mit einem Kran wurde das 10,2 Tonnen schwere Haus auf sechs Fundamentpunkte gesetzt, die im Erdreich verschraubt sind. Wenn die Fundamentpunkte, sowie die nötigen Strom- und Wasseranschlüsse bereits vorhanden seien, könne man das Haus noch am Liefertag mit allen Funktionen nutzen. Hörner steht mit den Kunden weiter im Austausch, die laut ihm bisher zufrieden sind.

Ob der Unternehmer sich zukünftig verstärkt auf den Messe- oder Minimalhausbau fokussieren möchte, weiß er selbst noch nicht. Aber diese Frage sei ein "heißes Thema." Inzwischen ist auch wieder die Nachfrage nach Messeständen gestiegen. Sollte M3Living gleichzeitig wie erwartet wachsen, müsste Hörner einen Teil der Verantwortung abgeben. Er ist aber optimistisch gestimmt und sieht es rückblickend "als Chance", dass er die brenzlige wirtschaftliche Lage während der Pandemie in ein zweites Standbein umwandeln konnte.

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