Süddeutsche Zeitung

Sauerlach:Mitfahrbankerl sind vom Tisch

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Sauerlacher Eltern fürchten, dass Kinder leichtfertiger zu Fremden ins Auto steigen.

Von Patrik Stäbler, Sauerlach

Nur drei Monate, nachdem der Gemeinderat einmütig für die Einführung von Mitfahrbankerln in Sauerlach gestimmt hat, setzt das Gremium nun zur Rolle rückwärts an. Grund hierfür ist ein Schreiben des Elternbeirats der Friedrich-von-Aychsteter-Grundschule ans Rathaus. Wie Bürgermeisterin Barbara Bogner (Unabhängige Bürgervereinigung) im Bauausschuss des Gemeinderats am Dienstagabend berichtete, warnen die Eltern sowie Schulleiterin Astrid Langwieder darin eindringlich vor den Plänen der Gemeinde, das Logo mit dem gerecktem Daumen und den Schriftzug "Mitfahr-Gemeinde" wie geplant an bestehende Bushaltestellen anzubringen.

Der Grund: Der Elternbeirat befürchtet, dass dies Kinder dazu veranlassen könnte, leichtfertiger zu fremden Leuten ins Auto zu steigen. "Wenn wir Autofahrer ermutigen, an den Bänken der Bushaltestellen zu halten, wo auch Kinder sich hinsetzen können, dann wäre das für die erzieherische Wirkung kontraproduktiv", gab Bogner den Inhalt des Schreibens wieder. In der Folge sprachen sich mehrere Ausschussmitglieder dafür aus, das Projekt Mitfahrbankerl komplett zu begraben. Eine Entscheidung darüber wird der Gemeinderat in seiner Sitzung am kommenden Dienstag fällen.

Sogenannte Mitfahrbankerl gibt es in mehr als 50 Gemeinden in Bayern, darunter seit vergangenem Herbst auch in Höhenkirchen-Siegertsbrunn. Die meisten Kommunen setzen dabei auf ein Konzept mit eigenen, teils liebevoll geschmückten Bänken, an denen Bürger auf eine Mitfahrgelegenheit warten können. Überdies sind dort oft Schilder angebracht, sodass man Autofahrern signalisieren kann, wohin man möchte.

In Sauerlach jedoch hatte der Gemeinderat Anfang Februar entschieden, dass es vorerst keine eigenen Mitfahrbankerl geben wird; vielmehr wollte man bestehende Bushaltestellen entsprechend ausflaggen. Ideengeber für das Projekt ist die örtliche Agenda 21. Sie hatte stets argumentiert, dass am Wochenende sowie in den Abend- und Nachtstunden keine Busse im Gemeindegebiet verkehren. Zudem müsse man werktags zwischen 30 und 90 Minuten warten, wenn man einen Bus verpasse. Mitfahrbankerl könnten hier Abhilfe schaffen und gerade Menschen ohne Auto zu mehr Mobilität verhelfen, so die Agenda 21.

Deren Sprecher für den Arbeitskreis Umwelt und Energie, Johann Friedrich, zeigt sich nun erstaunt über den Vorstoß des Elternbeirats. "Ich habe selbst Kinder, und ich denke, dass man Kindern sagen kann, dass sie nur mit dem Bus fahren dürfen." Er habe sich bei mehreren Gemeinden über deren Erfahrungen mit Mitfahrbankerln informiert, sagt Friedrich. "Und das war nirgendwo ein Thema." Mittelfristig wolle man die Mitfahrbankerl in Sauerlach über eine App steuern, bei der sich alle Fahrer und Mitfahrer registrieren müssen, sagt Friedrich. "Dann weiß man immer, wer bei wem und wann im Auto sitzt." Jedoch werde es sicher noch ein Jahr dauern, ehe eine solche Lösung eingesetzt werden könne.

Für Johann Friedrich steht beim Thema Mitfahrbankerl jedenfalls fest: "Wir bleiben da dran." Ganz anders klang das etwa bei Markus Hoffmann (CSU), der im Ausschuss über das Schreiben des Elternbeirats sagte: "Ich finde das nachvollziehbar und würde es zum Anlass nehmen, um mich vom Thema Mitfahrbankerl ganz zu verabschieden." Ähnlich äußerte sich Josef Ücker (CSU), und Bürgermeisterin Bogner verwies darauf, dass der Bedarf infolge der verbesserten Busverbindungen geringer geworden sei. Sie befand abschließend: "Vielleicht sollten wir die Altkirchener und Argeter einfach mitnehmen, wenn sie in Sauerlach am Straßenrand stehen - so wie bisher auch."

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SZ vom 02.05.2019
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