Süddeutsche Zeitung

Advent für Anfänger:Barbaras dürre Reiselein

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Sauerlachs Bürgermeisterin Bogner pflegt seit ihrer Kindheit einen besonderen Brauch zu ihrem Namenstag am 4. Dezember.

Von Stefan Galler, Sauerlach

Wenn man Barbara Bogner auf ihren Namenstag anspricht, rezitiert die Sauerlacher Bürgermeisterin wie aus der Pistole geschossen ein Gedicht von Hugo Distler: "Ich brach drei dürre Reiselein vom harten Haselstrauch. Und tat sie in ein Tonkrüglein. Warm war das Wasser auch." Nicht nur diese erste, sondern alle vier Strophen hat die Rathauschefin von der Unabhängigen Bürgervereinigung wie selbstverständlich im Repertoire - und weiß ganz genau, seit wann sie das drauf hat: "Ich habe es in der zweiten Klasse gelernt, aber den Brauch pflege ich heute noch."

Es geht um die in der römisch-katholischen und der griechisch-orthodoxen Kirche gepflegte weihnachtliche Tradition, dass man am 4. Dezember ein paar Zweige von einem Obstbaum schneidet und sie in die Wohnung in eine Vase stellt. Ziel ist, dass die Zweige bis zu den Feiertagen blühen. "Wenn man es richtig macht und gesunde Zweigerl erwischt, funktioniert es", sagt Barbara Bogner, die selbst meist Äste von einem Apfelbaum nimmt. Es klappt aber genauso mit Zwetschgen-, Kirsch-, Haselnuss- oder Kastanienzweigen.

Die Legende, die hinter dem Brauch steht, dreht sich um die heilige Barbara. Sie lebte wohl Ende des dritten Jahrhunderts im heutigen Izmit in der Türkei und pflegte den christlichen Glauben. Ihr wohlhabender Vater Dioscuros wollte sie mit einem reichen Mann verheiraten, doch sie weigerte sich, weil sie ihre Jungfräulichkeit und ihre Gottesfürchtigkeit nicht aufgeben wollte. Als sie ins Gefängnis gebracht wurde, sei sie mit ihren Kleidern an einem Strauch hängengeblieben. Ein paar Zweige brachen ab und sie stellte diese in ein Gefäß mit Wasser. An jenem Tag, an dem ihr Vater Barbara enthauptete, hätten sie dann angefangen zu blühen, so die Legende. Diese besagt, dass Dioscuros nach der Hinrichtung vom Blitz erschlagen wurde.

Auch die Sauerlacher Bürgermeisterin kennt diese Geschichte. Gerne erinnert sie sich daran, wie dieser Tag in ihrer Kindheit mit der Familie zelebriert wurde: "Da kam dann immer meine Großtante zu uns, was schon alleine etwas Besonderes war, weil sie uns nur maximal zweimal im Jahr besuchte." Weil früher gerade im katholischen Bayern der Namenstag eine größere Bedeutung hatte als der Geburtstag, wurde Barbara Bogner am 4. Dezember immer reichhaltig beschenkt.

Die heilige Barbara ist übrigens unter anderem die Patronin der Bergleute, Baumeister, Turmwächter und Feuerwehrleute. Und sie steht für Tapferkeit und Standhaftigkeit, was dann auch wieder gut zu Barbara Bogner passt: Sie musste schließlich in der Debatte um das Sauerlacher Gymnasium in den letzten Monaten allerhand aushalten.

In dieser Kolumne erklären bis zum Heiligabend täglich Profis Bräuche und Traditionen der Advents- und Weihnachtszeit.

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