Süddeutsche Zeitung

Ottobrunn:Plötzlich zu viel Personal

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Jahrelang konnten Gemeinden Kita-Plätze nicht vergeben, weil Erzieher fehlten. Jetzt sind in Ottobrunn alle Stellen besetzt, aber die Kinder können trotzdem nicht betreut werden. Kurzarbeit wurde bisher aber vermieden

Von Martin Mühlfenzl, Ottobrunn

Offiziell gilt in Bayern noch bis 14. Juni ein Betretungsverbot für Kinder in Kindertageseinrichtungen. Doch der Betrieb in den Krippen und Kindergärten nimmt immer mehr an Fahrt auf. Die Ausweitung der Notbetreuung etwa auch auf Vorschulkinder seit 25. Mai hat in der Gemeinde Ottobrunn zur Folge, dass Kindergärten teilweise wieder einen Belegungsgrad von 50 Prozent aufweisen. Der Kindergarten Sankt Otto, sagte Ottobrunns Hauptamtsleiter Wolfgang Walter in der jüngsten Gemeinderatssitzung, sei wieder mit der Hälfte der Kinder belegt.

Während also Krippen und Kindergärten schrittweise wieder zur Normalität und zum Normalbetrieb zurückkehren, geht es für die Kommunen darum, die finanziellen Folgen der Corona-Krise abzufedern. Und die Krise hat auch spürbare Auswirkungen auf die Finanzierung der Betreuungseinrichtungen in den Städten und Gemeinden. "Wirtschaftspläne drohen zur Makulatur zu werden", sagte Ottobrunns Bürgermeister Thomas Loderer (CSU). "Es braucht neue Pläne."

Im Falle seiner Gemeinde werde sich der Zuschussbedarf für die Kindertageseinrichtungen unter dem Dach der gemeindlichen GmbH - Stand jetzt - nahezu verdoppeln, machte der Rathauschef deutlich. Aufgrund enormer finanzieller Einbußen durch fehlende Elternbeiträge und Fördergelder sowie der wegfallenden Essensgeldpauschale in den Monaten April, Mai und Juni wird sich der Bedarf für die Krippen und Kindergärten von bisher anvisierten 583 800 Euro auf etwas mehr als eine Million Euro erhöhen, sagte Kerstin Haller, Geschäftsführerin der Kindertageseinrichtungen Ottobrunn GmbH.

Die Gemeinderäte billigten die Anpassung des Wirtschaftsplans, horchten allerdings auf, als Haller den Blick in den Herbst richtete. Und dieser Blick, sagte Haller, sei bewusst "sehr pessimistisch angelegt". Wenn es zu einer zweiten Infektionswelle komme, der Betrieb wieder deutlich eingeschränkt werde, weil Kinder zuhause bleiben müssten, dann sei es an der Zeit, auch über einschneidende Maßnahmen zu diskutieren - etwa einen möglichen Personalabbau beim Küchenpersonal. Grünen-Gemeinderat Dietrich Zeh wollte es dann doch genauer wissen und erkundigte sich, ob die von Haller in der Sitzungsvorlage gewählte Formulierung "Reduzierung von Personalkosten" bedeute, dass bei einem erneuten Aufflammen der Krise "schwer zu findendes Personal" abgebaut werden könnte. Dieser Passus sei "etwas kompliziert" formuliert, sagte Loderer: "Diese Option greift nicht." Kerstin Haller widersprach Loderer in Teilen. Klar sei, dass im Vollbetrieb bei kleineren Gruppen sogar zusätzliches Personal gebraucht werde, das ohnehin schwer zu finden sei. Auch SPD-Gemeinderätin Ariane Wißmeier-Unverricht sagte, allein durch das "Social Distancing" würden mehr Mitarbeiter gebraucht. "Aber wenn die Situation noch einmal schwierig wird, muss man überlegen, von wem man sich eventuell trennen kann", fügte Haller hinzu.

Tatsächlich können aufgrund der Corona-Auswirkungen in den Ottobrunner Kindergärten "Die Strolche" und "Pfiffikus" 45 Plätze derzeit nicht vergeben werden, obwohl das Personal hierfür gewonnen werden konnte, sagte Hauptamtsleiter Wolfgang Walter. "In dem Moment, in dem Corona gekommen ist, waren auch die Leute da. Und wir können sie jetzt nicht einsetzen." Bisher ist es der Gemeinde aber gelungen, auf Kurzarbeit zu verzichten.

Ob die zusätzlichen Kosten für die Kinderbetreuung auch einen Nachtragshaushalt zur Folge haben werden, wollte Bürgermeister Loderer noch nicht beantworten. Alles was jetzt auf dem Tisch liege, sei eine "Momentaufnahme" und der Blick auf den Herbst ein "Worst-Case-Szenario", sagte Loderer. Ob der Bund für die zusätzlichen Kosten von mehr als 400 000 Euro aufkommen werde, sei ebenfalls noch nicht geklärt, sagte Walter: "Aber was wir beantragen können, werden wir beantragen."

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SZ vom 03.06.2020
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