Süddeutsche Zeitung

Ottobrunn:Jugendliche haben eine Meinung

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Die U 18-Wahl in Ottobrunn stößt auf große Resonanz

Von Franziska Bohn, Ottobrunn

Die Wahlurne ist handbemalt. Sie steht auf einem Tisch im Garten der Pfadfinder in Ottobrunn. Ein Schild hängt an der Urne, "U 18" steht bunt geschrieben darauf. Die Siebtklässlerinnen Zola und Karla werfen gerade ihren Stimmzettel in die große Box. Vor der Bundestagswahl am Sonntag, 24. September, durften am Freitag auch Kinder und Jugendliche unter 18 Wählen gehen. Die U 18- Wahl ist ein deutschlandweites Projekt des Bundesjugendrings (BJR). Zum ersten Mal fanden die Wahlen 1996 statt.

Fabian Matella, 22 Jahre alt, Stammesführer des Stammes "Robin Hood" vom Bund der Pfadfinder in Ottobrunn, hat die Jugendwahl hier am Ort initiiert. Er hatte selbst schon als Jugendlicher in München bei einer U 18-Wahl mitgemacht und holte sie jetzt nach Ottobrunn. Er möchte damit der Jugend eine Stimme geben. "Viele Kinder und Jugendlichen fühlen sich zu wenig beachtet", sagt er. "Politik von Alten für Alte, sozusagen." Wählen - fast wie die Erwachsenen. Aber einen Unterschied gab es doch: Einen deutschen Pass braucht keiner der Wähler. "Jeder, der hier lebt, hat ein Recht, an der Demokratie mitzuwirken", sagt Matella.

Nicolas Krajewski vom Bayerischen Jugendring sagt: "Wir wollen der Debatte um das Wahlalter mehr Gewicht geben. Auch Jugendliche haben eine Meinung." Den jungen Wählern wird hier auch Informationsmaterial bereitgestellt. Neben der Wahlurne, stehen im ganzen Garten verteilt Infowände, Flyer liegen aus, bunte Karten liegen bereit. Gut verständlich aufbereitet für Kinder und Jugendliche.

Laut Krajewski ist der BJR für eine Senkung des Wahlalters auf Kommunal- und Landesebene. Ab 14 Jahren sei die nötige Reife erreicht: "Das Argument, dass sich Jugendliche nicht informieren, ist Quatsch, das trifft genauso häufig auch auf Erwachsene zu." Vielleicht beschäftigen sie sich sogar mehr mit Politik als Erwachsene.

Nach ihrer Stimmabgabe sagt Zola, fühle sich jetzt besser vorbereitet für ihre erste richtige Wahl. Zola und Karla sagen, sie würden gerne mehr über aktuelle Politik in der Schule lernen. "Das Problem ist auch, dass Wahlprogramme so aufgebaut sind, dass sie für Kinder und Jugendliche schwer zu verstehen sind", sagt Krajewski.

Matella hat seine Pfadfindergruppe schon seit Wochen auf diesen Tag vorbereitet. In der jüngsten Gruppenstunde durften die Kinder sogar ihre eigene Partei gründen. Zola initiierte beispielsweise die Biokartoffel-Partei "Für mehr Kartoffeln und Katzen, oder waren es weniger?". Karla gab ihrer Partei den Namen "Wirtschaftliche Mittelstandspartei". So sollen die Kinder spielerisch und mit Spaß für Politik begeistert werden. "Vorher wusste ich nichts über Politik", sagt Karla. Themen, die die Jugendlichen der Pfadfindergruppe besonders interessiert hätten, seien Umwelt, Nachhaltigkeit und Flüchtlinge gewesen.

Bis Freitag, 18 Uhr durften die U 18-Wähler ihre Stimme abgeben, danach wurden die Stimmen ausgezählt, die Kinder durften dabei mithelfen. Mittlerweile steht auch schon das Ergebnis fest: In Bayern liegt mit 28 Prozent die CSU an der Spitze, auf Platz zwei die SPD mit 15 Prozent. "Jugendliche wollen gehört werden, sie wollen mitgestalten und Verantwortung übernehmen", sagt Krajewski. Die Bundestagswahl ist die wichtigste demokratische Veranstaltung im Land - und sie dürfen nicht daran teilnehmen.

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Quelle:
SZ vom 18.09.2017
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