Süddeutsche Zeitung

Neubiberg:Transparenter Gorilla

Lesezeit: 3 min

Die Ausstellung "Holz und Eisen" in der Neubiberger Galerie Galliani zeigt Werke von Horst W. Wendland. Der Künstler lässt in seine Skulpturen oft ironischen Witz einfließen und schafft es, selbst korpulente Figuren schwungvoll wirken zu lassen

Von Udo Watter, Neubiberg

Manche Menschen sind froh, wenn sich in ihrem Leben so wenig wie möglich tut. Sie haben Angst vor Veränderungen, richten es sich gemütlich ein in den Wonnen der Gewohnheit und versuchen, jedes größere Ereignis zu vermeiden. Ein "Ereignis" - nach einer bestimmten ontologischen Lesart der Moment, in dem sich die Wahrheit des Seins offenbart - birgt Intensität und Glück, zugleich aber auch immer die Gefahr der Niederlage, des Schmerzes oder gar des Todes. Der Mensch kann nun mal sterben, jederzeit. Auch wenn wir es nicht merken, balancieren wir in unserem Dasein oft auf schmalem Grat.

Die Gestalt gewordene Form des Balanceaktes, den wir Leben nennen, ist ein wiederkehrendes Leitmotiv im Werk des Bildhauers Horst W. Wendland. Besonders elaboriert und filigran hat er ihn in sein Werk "Das glückliche Ende eines ereignisreichen Tages" integriert. Fußend auf einer vertikalen Eisenbahnschiene erhebt sich eine schwungvoll-verschlungene Komposition aus Kugeln, schlanken Figuren und einer nach unten gebogenen Wippe, auf der eine der Figuren balanciert. Die Skulptur ist nicht nur formal ambitioniert, sondern auch stofflich: Eisen, Bronze und Pâte de verre - eine pastenartige Glasmasse - bilden das verwendete Material.

Zu sehen sind diese Plastik und zahlreiche andere Arbeiten Horst W. Wendlands derzeit in der Neubiberger Galerie Galliani, die Ausstellung "Holz und Eisen" wurde am Donnerstag eröffnet: Skulpturen aus geschweißtem Eisen, aber auch aus Holz oder mit Bronzeelementen, teils mit Acryl-Effektpasten koloriert, sowie expressiv-gegenständliche Gemälde. In manche der Skulpturen sind Löffel, Gabeln oder kleine Scheiben eingearbeitet, sie wirken transparent, leichtfüßig, mitunter fragil, und oft eignet ihnen eine originell-humorvolle Note. "Er hat so eine Lebendigkeit im Plastischen", schwärmt Galeristin Christel Till-Galliani. Selbst korpulentere Figuren muten schwungvoll an, die feingliedrigen Tier-Plastiken sind oft in einen witzigen oder augenzwinkernden Kontext gestellt: Da gibt es etwa das "B-Team" der Bremer Stadtmusikanten mit Schwein, Ziege, Hase und Maus. Schön auch die "Crazy Chicken": zwei Gockel mit Stöckelschuhen, die in Richtung einer putzig springenden Spitzmaus posieren. Besonders beliebte Motive beim geborenen Münchner Wendland, der inzwischen im Unterallgäu lebt und arbeitet, sind Faune, der Minotaurus und andere Wesen aus der griechischen Mythologie. Sein stürzender Ikarus ist in seiner Fragilität mitreißend, die kleine goldene Sonnenkugel an seinen Füßen (die ja das Wachs seiner Flügel zum Schmelzen brachte), mutet wie ein ironisches Accessoire an. Nicht nur hier merkt man, dass der freischaffende Künstler Wendland auch Karikaturist und Comiczeichner ist, der 2005 den Sonderpreis Deutscher Lokaljournalistenpreis der Konrad Adenauerstiftung gewonnen hat. Ein verspielter und augenzwinkernder Blick fließt oft in seine Arbeiten mit ein.

Die in kräftigen Farben gehaltenen Bilder wirken teils dramatischer und etwas dicker aufgetragen, wiewohl etwa das Gemälde "Stadtcafé" mit zwei Gorillas als Protagonisten in seiner ironisch-schönen Komposition ein echter Blickfänger ist. Essenzielles, Vergängliches, Widerständiges klingt beim 1964 in München geborenen Künstler ebenfalls an: Wendland, der seine Skulpturen bereits in Ausstellungen der Münchner Künstlergenossenschaft MKG im Haus der Kunst oder im Ägyptischen Museum gezeigt hat, gestaltet Plastiken wie "Läufer im Rad", die in ihrer runden Formschönheit sowohl Dynamik evoziert als auch das vergebliche Anrennen gegen den ewigen Kreislauf. Oder die in feiner Balance auskomponierte Arbeit "Die Geburt einer Idee", die auf einem schrägen Kopf fußt. Manche der schlanken, leicht überproportional strukturierten menschlichen Figuren erinnern an die berühmten Skulpturen des Schweizer Bildhauers Alberto Giacometti, sie strahlen eine eigenwillige Zerbrechlichkeit aus. Ganz anders eine Gorilla-Skulptur in der Mitte des Raums, die freilich trotz ihrer Muskulösität transparent wirkt. "Der gemeinsame Weg", eine vornehmlich aus Kirschbaumholz gestaltete Arbeit, zieht einen mit seiner fein arrangierten Perspektivenschönheit in den Bann. Hübsch auch die Skulptur daneben. Eine Artistin, die in der Tanzpose der Arabesque so grazil wie fragil auf einem Pferd balanciert.

Die Ausstellung "Holz und Eisen" in der Galerie Galliani, Hauptstraße 55, Neubiberg, dauert bis Freitag, 18. September. Öffnungszeiten sind dienstags bis freitags von 14 bis 18 Uhr und nach Vereinbarung, Telefon 089/66 617 810.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.2607919
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 14.08.2015
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.