Süddeutsche Zeitung

SZ-Serie: Lichtblicke, Folge 16:Der Mann, der die Pflanzen zum Blühen bringt

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Volker Höpken bestrahlt in den Gewächshäusern eines Gartencenters Pflanzen mit künstlichem Licht, um ihr Wachstum zu beeinflussen. So lässt sich auch genau bestimmen, wann Blumen ihre Blüten entwickeln.

Von Angela Boschert, Neubiberg

Die Liebe zu Pflanzen und ihre Lichtbedürfnisse entstand bei Volker Höpken wohl schon in frühen Kindheitstagen, als er mit seinem Vater in dessen Gärtnerei unterwegs war. Heute leitet der 43-Jährige die Produktionsstätte des Gartencenters Seebauer im Neubiberger Gemeindeteil Unterbiberg. Seinen Meister hat Höpken an der Gärtnerschule in Hannover-Ahlem gemacht, die man in Fachkreisen kennt. Über "fotoperiodische Belichtung", also den Einsatz von künstlichem Licht zur Beeinflussung des Blütezeitpunkts von Pflanzen, schrieb er seine Examensarbeit.

Die Kenntnisse, die er sich damals angeeignet hat, setzt der Gärtnermeister nun in seinem Berufsleben häufig ein. Denn im Produktionsbetrieb gegenüber dem Feuerwehrhaus Unterbiberg kommen die Pflanzen an, wenn sie schon einen Teil ihres Wachstums hinter sich haben, aber noch einige Wochen im Licht stehen müssen, bis sie verkaufsfertig sind.

Wann sie in voller Blüte stehen und in die Blumenläden übersiedeln können, hängt von der Menge und Art des Lichts ab, dem die Pflanzen ausgesetzt sind. Sechs bis acht Wochen vor dem geplanten Verkaufszeitpunkt stellt Höpken die Pflanzen in die Halle mit den klassischen Natriumdampflampen. Diese Lampen sind sehr effektiv und werden auch warm, was die Pflanzen goutieren. Mit nur acht Lampen kann Höpken ein Gewächshaus mit circa 400 Quadratmeter Fläche fototechnisch beleuchten.

"Ich muss genau planen, wann ich bestimmte Pflanzen wohin stelle und wie lange ich das Licht anschalte. Letzte Woche habe ich beispielsweise begonnen, die Pantoffelblumen zu belichten, weil die im März in den Verkauf sollen und dann blühen müssen", erklärt er. Die Pantoffelblumen brauchen täglich mehr als zwölf Stunden Licht. Deshalb werden sie zusätzlich zum natürlichen Licht, das tagsüber in das Gewächshaus fällt, von ein Uhr bis drei Uhr in der Nacht künstlich beleuchtet. Das simuliert in der Pflanze einen längeren Tag und bewirkt den Blühreiz. Dass die Lampen nachts brennen, liegt daran, dass Nachtstrom günstiger ist. Und den Pflanzen macht es nichts aus, wenn zwischen dem Tageslicht und der künstlichen Beleuchtung eine dunkle Phase liegt.

Anders ist es beim Weihnachtsstern, der ursprünglich aus Mexiko stammt. Der ist eine sogenannte Kurztagpflanze, die zwar ebenfalls viel Licht braucht, aber nicht so lange. Der Trick ist, dem Weihnachtsstern weniger als zwölf Stunden am Tag viel Licht zu geben. Dann bilden sich seine tiefroten Hochblätter und auch die Blüten, fachmännisch Cyathien genannt, aus. Höpken beschreibt sie als Knübbelchen.

Doch kann Licht auch die Farben einer Pflanze beeinflussen? Höpken wiegt den Kopf. Die Farben können in gewissem Grade durch Lichteinwirkung intensiver werden, aber auch blasser. So ist es einer Geranie egal, ob der Tag lang oder kurz ist. Sie braucht eine gewisse Lichtintensität; wenn es fünf Tage stark bewölkt ist, verzögert sich die Blüte.

Höpken hält wie die allermeisten Gärtnereien an den klassischen Natriumdampflampen fest. Noch laufen Versuche zur Nutzung von LED-Leuchten und der Wirkung von deren Lichtfarben. Erforscht wird etwa, ob besonders viel rotes Licht das Streckungswachstum einer Pflanze hemmt und ihr Stiel kürzer bleibt. Die Idee dahinter sei, dass man dann auf chemische Hemmstoffe verzichten kann, um eine gedrungene Wuchsform zu erzielen. Derzeit tritt der gewünschte Effekt mal bei eher blauem Licht, mal bei eher rotem Licht ein. Die Methode sei deshalb in der Praxis noch nicht umsetzbar, sagt Höpken. Sie wäre aber - und da spricht der ausgebildete Ökonom im Gärtner - vorteilhaft, weil Zusatzstoffe entfallen und preisgünstiges LED-Licht verwendet werden könnte. Wenn es funktioniere, "überlisten wir mit Physik die Biologie", sagt Höpken lachend und blickt in den sonnigen Himmel. An Sonnenlicht, das gibt er zu, kommt auch die beste Lampe nicht heran.

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Quelle:
SZ vom 18.12.2020
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