Süddeutsche Zeitung

Müllvermeidung:Weniger im Meer

Lesezeit: 3 min

Plastikverpackungen verbrauchen Ressourcen und landen am Ende im Magen von Fischen, Vögeln und Walen. Eine Ausstellung von Schülern in Hohenbrunn und ein Vortrag in Aying zeigen Alternativen auf.

Von Iris Hilberth, Aying/Hohenbrunn

Gurken in Folie, eingeschweißte Wurst, Klopapier in der Plastiktüte, Flüssigseife aus der Kunststoffverpackung - die Liste lässt sich noch lang fortsetzen. Schüler der Montessorischule Hohenbrunn haben bei Aldi mal alle verpackten Produkte gezählt und sind auf 2727 gekommen. Unverpackt mit Aufkleber waren dagegen nur sieben, völlig unverpackte Waren haben sie 29 gefunden. Viel zu viel Plastikmüll, finden sie. "Erschüttert haben uns die Fotos von Meerestieren, die in Plastikmüll gefangen waren. Vögel, Fische und Wale, die im Magen voller Plastik verhungert sind. Wir wollen das ändern", schreiben die Schüler. "Wir haben die Schnauze voll." So ist eine Ausstellung entstanden, die derzeit im Eingangsbereich des Schulhauses zu sehen ist. Mit ihr wollen die Schüler auf das Problem aufmerksam machen und Alternativen zu verpackten Produkten aufzeigen. "Es gibt sogar unverpackte Süßigkeiten", berichten die Schüler. Sie haben aber auch eine Unterschriftenliste an Aldi geschickt. Antwort haben sie bisher keine bekommen.

Dass es aber auch jetzt schon Möglichkeiten gibt, den eigenen Plastikmüll erheblich zu reduzieren, bestätigt Manuela Gaßner. Die promovierte Gartenbauwissenschaftlerin, Dozentin am Wissenschaftszentrum Weihenstephan und Mutter von drei Kindern, praktiziert seit vier Jahren bewusste Müllvermeidung im eigenen Haushalt. Mittlerweile kommt sie mit einem gelben Sack im Jahr aus und hat ein Buch über Müllvermeidung geschrieben. Ursprünglich hat sich "Weniger ist mehr! Müllvermeidung in und um Freising" an Leser rund um ihren Wohnort gerichtet. Doch inzwischen ist das Thema viel populärer geworden als noch vor vier Jahren und Gaßner eine gefragte Referentin auch außerhalb des Landkreises Freising. Am Donnerstag, 11. April, hält die 37-Jährige auf Einladung der Energieagentur Ebersberg-München einen Vortrag im Bürgerhaus Aying und gibt Tipps zur Müllvermeidung. Beginn ist um 19.30 Uhr.

Durchschnittlich 600 Kilo Müll im Jahr pro Person

Laut Statistischem Bundesamt verursacht der Deutsche im Durchschnitt 600 Kilo Abfall. im Jahr 8239 Tonnen "Leichtverpackungen" werden im Bericht der Abfallwirtschaft des Landratsamts München für das Jahr 2017 aufgelistet. Gaßner sagt, wir seien zwar Recyclingweltmeister, handelten aber nach dem Prinzip "Aus den Augen aus dem Sinn". Dass die Mengen an Plastikmüll stark gestiegen sind, führt Gaßner auf die zunehmende Zahl an Ein- bis Zweipersonenhaushalten, den Online-Handel und die Beschleunigung des Lebens zurück. Fertiggerichte und Essen to go produzieren mehr Müll. "Früher hat eben die Oma gekocht", sagt sie. Auch in der Kosmetikindustrie falle viel Plastikmüll an, ebenso bei Reinigungsmitteln. "Für jeden Fleck gibt es ein eigenes Produkt", sagt Gaßner, dabei reiche hier ein Grundstock aus Essig, Natron, Salz und Seife. Auch der Mittelgang bei Aldi mit den "Schnäppchen" trage viel zu den Müllbergen bei. "Da kauft man die fünfte Matschhose und den Bademantel, den man nie anzieht, nur weil er billig ist", so Gaßner.

Es geht auch ohne "Unverpackt-Laden"

Sie selbst habe zunächst auch nur damit angefangen, die Verpackungen im Laden zu lassen. "Das ist zwar toll, dass du die dann nicht mehr zuhause hast. Aber dadurch sind sie ja nicht weg", musst sie sich schnell eingestehen und begann ihr Konsumverhalten grundsätzlich zu überdenken. "Braucht man die Masse an Dingen überhaupt", fragte sie sich, "schließlich hat das ja alles was gekostet und nun muss man sich damit rumärgern." Stück für Stück baute sie so ihren persönlichen Müllberg ab. "Das geht nicht von heute auf morgen", räumt Gaßner ein, "schließlich gibt es ja noch Dinge, die aufgebraucht werden müssen, außerdem ist das nicht sehr motivierend, auf einmal alles zu ändern." Ihren Lesern und Zuhörern rät sie, schrittweise vorzugehen. Und sie macht auch deutlich: Zero waste ist unrealistisch. "Wir leben schließlich in einer Gesellschaft, und mal kaufe ich meiner Tochter eben auch ein bestimmtes Shampoo, das sie gerne hätte." Es geht um low waste, um weniger Müll.

Dass man dazu - wie Zuhörer bei ihren Vorträgen oft anmerken - einen "Unverpackt-Laden" braucht, kann Gaßner nicht bestätigen. "Manchmal muss man in den Geschäften auch einfach mal nachfragen", sagt sie. An der Wursttheke sei es vor kurzem noch undenkbar gewesen, das eigene Gefäß mitzubringen. Inzwischen geht das.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.4400338
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 08.04.2019
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.