Süddeutsche Zeitung

Mobilität:Ein paar weiße Striche sind zu wenig

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Das zur Fahrradsitzung ausgerufene Treffen des Oberschleißheimer Gemeinderats gerät zur Abrechnung mit den bisherigen Bemühungen des Rathauses zur Förderung des Radverkehrs.

Von Klaus Bachhuber, Oberschleißheim

Weil eine grundsätzliche Absichtserklärung zur Aufwertung des Fahrradverkehrs gefasst werden sollte, wurde das Treffen des Oberschleißheimer Gemeinderats am Dienstag zur "Fahrradsitzung" ausgerufen. Für das passende Gruppenfoto sollten die Gemeinderäte dazu ins Rathaus anradeln. Ein Gewitter verhagelte das Motiv dann einigermaßen - und genauso erging es der Sitzung. Auf die Erklärung fürs Schaufenster prasselte reichlich Kritik an der Umsetzung eines früheren Beschlusses. Sie habe "nicht den Eindruck, dass hier irgendjemand damit zufrieden ist, wie es bisher gelaufen ist", brachte es Stefanie Haslbeck (CSU) auf den Punkt. Und Bürgermeister Christian Kuchlbauer (FWG) stand einmal mehr alleine gegen den gesamten Gemeinderat.

2012 hatte das Rathaus ein Radverkehrskonzept auf den Weg gebracht und die Zertifizierung als "fahrradfreundliche Kommune" angestrebt. Im Sommer soll die Abnahme durch das bayerische Innenministerium erfolgen, bei der bewertet wird, ob die Bemühungen der Gemeinde für das Etikett ausreichen. Dazu hat der Gemeinderat nun einstimmig deklariert, den Radverkehr "als wesentlichen Bestandteil einer stadt- und umweltverträglichen Mobilität anzusehen" und ihn daher "im besonderen Maße zu fördern". Der Anteil der Radler am Binnenverkehr soll von aktuell 23 Prozent bis 2025 auf 30 Prozent gesteigert werden.

Was aber, so fragten SPD, CSU und Grüne unisono, sei zwischen der Absichtserklärung 2012 und der Absichtserklärung 2018 geschehen? "Ein paar weiße Stricherl bei Einmündungen und ein paar neue Radl-ständer", resümierte Markus Büchler (Grüne) die Anstrengungen der Gemeinde auf dem Weg zur Fahrradfreundlichkeit. "So richtig aktiv seh ich uns da nicht", rügte er, "konkret ist sehr wenig passiert." SPD und CSU forderten eine Übersicht, welche Forderungen des seinerzeitigen Konzepts umgesetzt worden und welche aus was für Gründen gescheitert seien. "Man macht da so dahin und jetzt steht's mal wieder auf der Tagesordnung und dann reden wir wieder darüber", gab Gisela Kranz (CSU) ihre Wahrnehmung wieder, das sei "sehr unglücklich".

Bürgermeister Kuchlbauer sagte, Anträge zu konkreten Maßnahmen müssten aus dem Fahrrad-Arbeitskreis kommen, der sich bei der Erarbeitung des Konzepts konstituiert hatte. Das sei nun "ein bisschen billig", konterte Peter Benthues (CSU). Vielmehr sei es doch wohl Aufgabe der Gemeindeverwaltung, ein beschlossenes Konzept auch umzusetzen. "Der Verwaltung ist so langweilig, dass sie das ohne Anträge selbst weiterführt", spottete Kuchlbauer, das Rathaus sei dazu personell viel zu dünn aufgestellt. "Mehr als arbeiten können wir auch nicht", sagte er.

"Gelinde gesagt frech"

Das sei "gelinde gesagt frech", empörte sich Helga Keller-Zenth (Grüne). Noch nie sei thematisiert worden, dass zu einer Umsetzung Personal fehle. Wenn die Kapazitäten gering seien, wäre die Umsetzung "eine Frage der Prioritäten", sagte Florian Spirkl (SPD), bei der Verabschiedung des Konzepts seien jedenfalls genügend Ressourcen vorhanden gewesen.

Der von der Gemeinde bestellte Fahrradbeauftragte Casimir Katz nannte als weiteren Grund für fehlende Projekte "kaum Flächen, kaum Geld". Diverse Vorstöße seien beispielsweise von der Schlösserverwaltung als Grundeigentümer oder dem Staatlichen Bauamt als Straßenbehörde abgelehnt worden. Einige sinnvolle Ansätze habe man wegen erwarteter Erfolglosigkeit gar nicht erst weiterverfolgt. Und es seien auch "Anträge an die Gemeinde verschiedentlich versandet". In der Summe sei das "ein bisschen unbefriedigend".

Die neuerliche Absichtserklärung tat Katz als Muster ohne Wert ab. "Das ist an Unschärfe nicht zu überbieten", sagte er. Eine ernsthafte Aufwertung des Radverkehrs "wird uns Geld kosten und auch den ein oder anderen Pkw-Fahrer mal verärgern".

Gegen die Stimme des Bürgermeisters entschied der Gemeinderat einmütig, dass dem Verkehrsausschuss eine Darstellung der bisherigen Umsetzung des Konzepts von 2012 vorgelegt werden soll.

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Quelle:
SZ vom 17.05.2018
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