Süddeutsche Zeitung

Mitten in Grünwald:In Bestform in der Seniorenresidenz

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Einfach nur mal mit dem Rollator um den Block? Die Bewohner eines Altenheims in der Isartalgemeinde haben mehr drauf

Kolumne von Claudia Wessel

Was ist Sport? Für diejenigen, die bei 31 Grad und Sonnenschein in bunter, eng anliegender Kleidung auf sündhaft teuren und superleichten High-Tech-Fahrrädern jede beliebige Steigung hinaufstrampeln, die beim Vorbeipreschen etwa an der Eisdiele am Pullacher Kirchplatz nur ein müdes, mitleidiges Lächeln auf die dort versammelten Schlemmenden übrig haben - für diese, oftmals männliche Spezies ist Sport vor allem eins: Hochleistung, eigene Grenzen überwinden - etwa die des Alters - und Askese pur. Statt zuckerhaltiger Eisbällchen gibt's vielleicht einen muskelaufbauenden Proteinshake aus der am Rücken des Profi-Hemdes angebrachten Radlerflasche.

Für andere wiederum ist es Sport, wenn sie bei 31 Grad die Treppen zur Dachterrasse direkt neben dem Rabenwirt in Pullach hinaufgehen, dort ihre Yogamatte ausbreiten und vor Beginn der Outdoor-Stunde "Yoga sanft" die nette Lehrerin noch mal mit Augenaufschlag bitten, es doch bei diesen Temperaturen ganz besonders sanft angehen zu lassen mit den Dehnungen. Im richtig hohen Alter dann, wenn man beispielsweise die 80 überschritten hat, gilt es schon als Sport, wenn man überhaupt vor die Tür geht und wahlweise mit Rollator oder Nordic-Walking-Stöcken einmal um den Block geht. In einem Grünwalder Altenheim ist es jedoch vorbei mit dieser minimalistischen Definition von Sport im Ruhestand. Hier heißt es jetzt: "Bestform. Sport kennt kein Alter."

Die "Parkresidenz Helmine Held" nimmt als eine von 20 Senioreneinrichtungen an einem sechsmonatigen Projekt der Technischen Universität München teil. 20 Senioren haben sich bereit erklärt, zweimal pro Woche 45 Minuten an Geräten für das "multimodale Kraft-, Koordinations- und Ausdauertraining" zu üben. "Bewegung hebt die Stimmung, fördert das Wohlbefinden und wirkt Gebrechlichkeit entgegen", behauptet Pflegedienstleiterin Katharina Wernicke. Der älteste Proband, ein 96-Jähriger, drückt sich diplomatisch aus: "Ungewohnt ist es schon, aber ich denke, es macht Spaß und tut mir gut." Klammheimlich aber freut er sich sicher schon auf die abendliche gemütliche Runde um den Block.

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Quelle:
SZ vom 07.07.2021
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