Süddeutsche Zeitung

Meine Woche:Der Bürgermeister hält die Stellung

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Hans Sienerth verteilt derzeit die Post im Straßlacher Rathaus

Von Claudia Wessel, Straßlach-Dingharting

"Bei den 35 Telefonrechnungen muss man auch noch die Rückseite einscannen." Keine gute Nachricht vom Mitarbeiter aus der Finanzabteilung für den Straßlacher Bürgermeister Hans Sienerth am Abend eines Tages, an dem er Stunden über Stunden am Kopierer im Rathaus verbracht hat. Rund 350 Briefe hat er in der Poststelle vorgefunden, nachdem diese wie fast alle anderen Abteilungen des Rathauses am Dienstag vergangener Woche wegen Corona-Fällen verwaist ist. Eine Quarantäne-Anordnung, die noch bis zum 2. April andauert, hat sowohl Team A als auch Team B der Verwaltung erwischt. Nur drei Mitarbeiterinnen und der Bürgermeister hatten keinen Kontakt mit den positiv Getesteten beziehungsweise deren Kontaktpersonen.

Die verbliebenen Vier teilen sich nun alle Aufgaben, die sonst von 13 Verwaltungsangestellten und vier Mitarbeitern des Bauhofs erledigt werden. Dass so viele aus dem Rathaus Kontakt miteinander hatten, lag an den vielen Besprechungen, die aufgrund von aktuellen Bauvorhaben stattgefunden hatten. Der Bürgermeister selbst, der ungeschoren davon kam, weil er einmal im Home-Office war und am anderen Tag frei hatte, widmet sich jetzt unter anderem der Post. Kuverts aufschlitzen, Eingangsstempel auf die Briefe, lesen und auf den Stapel für den betreffenden Mitarbeiter legen. Dann muss jeder Brief noch an den zuständigen Mitarbeiter geschickt werden. Der Kopierer erledigt das beim Einscannen, die Namen sind eingespeichert.

"Ich habe mich immer gefragt, ob dieses Gerät mit an die 8000 Euro nicht zu teuer war", gesteht Sienerth. "Jetzt weiß ich, dass es sehr viel kann." Aber wie hat er das auf die Schnelle gelernt, allein in der Poststelle? "Per Whatsapp-Kamera", verrät der partefreie Bürgermeister. Geschäftsleiter Franz Gröbmair, der im Übrigen das gesamte Rathaus während der Coronakrise technisch auf Vordermann gebracht hat, erklärte dem Rathauschef aus der Ferne, welchen Knopf er wann und wofür drücken muss.

"Alles, was jetzt akut ist, muss erledigt werden", sagt Sienerth. Seine sonstige Beschäftigung mit langfristigen Projekten wie Bauvorhaben und Planungen aller Art muss bis nach Ostern und Ende der Quarantäne warten. Stattdessen muss er etwa schnell die E-Mail des Landratsamtes weiterleiten, in der es um die Impfungen der Lehrerinnen und Erzieherinnen geht. Nach dem Stopp der Impfungen mit dem Vakzin von Astra Zeneca waren die geplanten Termine abgesagt worden. Jetzt sollen die Betroffenen wieder gefragt werden, ob sie noch Interesse haben. "Das ist freiwillig", betont Sienerth.

Die Osterwoche wird etwas ruhiger, das hofft Sienerth zumindest. Vielleicht muss er in den nächsten Tagen etwas weniger Briefkuverts aufschlitzen. Und eventuell nimmt auch die Zahl der Anrufe ab. Ein Malheur wie das mit den Telefonrechnungen wird ihm nicht mehr passieren. Der Bürgermeister hat sich inzwischen auch gemerkt, wo der Knopf für beidseitiges Einscannen ist.

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Quelle:
SZ vom 29.03.2021
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