Süddeutsche Zeitung

Leben im Alter:Voneinander lernen

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Die Haarer Seniorentage dienen der Information von Rentern und Gemeinde

Von Sophie Kobel, Haar

Die Sonne scheint ins Foyer des Bürgerhauses Haar. Es ist ein Herbsttag wie aus dem Bilderbuch, als das Kuchen-Büfett gerade noch aufgebaut wird, während schon die ersten Gäste ihren Rollator hinein schieben. Mehr als ein Dutzend Info-Stände erwarten die Besucher im großen Saal, wo die ersten Haarer Seniorentage stattfinden. Die Themen, die sie behandeln, sind vielfältig: Das Isar-Amper-Klinikum geht auf Altersdepressionen ein, der Seniorenclub präsentiert Sprachkurse, Yoga-Stunden und sein monatliches Wanderprogramm. An einem Stand hängen bunte Plakate, die sich mit Mentaltraining und der idealen Ernährung im Alter auseinandersetzen.

Doch die Gemeinde will nicht nur informieren, sie will auch selbst dazu lernen. "Wir möchten wissen, was Sie brauchen", sagt Bügermeisterin Gabriele Müller (SPD), im blauen Kleid, in ihrer Begrüßung den Besuchern. Deshalb hat die Gemeinde 1600 Fragebögen versendet. Im Bürgersaal präsentiert die Gemeinde unter anderem den neuen roten Notfallordner, in dem alle wichtigen Dokumenten für den Fall der Fälle Platz finden. Direkt daneben erzählt eine Mitarbeiterin des Maria-Stadler-Hauses Neues zu den Bauarbeiten an den Seniorenwohnungen im Jugendstilpark. Zu jedem Stand gehört ein Tisch, wer beraten werden möchte, kann sich hier niederlassen. Für private und vertrauliche Gespräche gibt es eine Beratungsecke.

Ursula Kopp läuft von Stand zu Stand, sie kennt fast jeden. Seit 26 Jahren lebt sie in Haar, hat selbst jahrelang Computerkurse für Senioren gegeben und beim Haarer Tisch mitgeholfen und. Das geht jetzt nicht mehr. "Wir haben unheimlich viele ehrenamtliche Helfer in der Gemeinde, es ist einfach ein gutes Klima", sagt die Rentnerin. Wieso es in Haar so gut läuft? "Das liegt schon eindeutig an der Führung. Sowohl Herr Dworzak als auch Frau Müller sind sehr nahbar", sagt Kopp über die Bürgermeisterin und deren Vorgänger.

Ein Thema beschäftigt die 72-Jährige besonders: ihre künftige Wohnsituation. "Da traue ich mich noch nicht so ran, dabei ist meine jetzige Wohnung eigentlich zu groß. Wir diskutieren viel darüber im Freundeskreis, aber für uns alle sind die neuen Appartements für betreutes Wohnen im Maria-Stadler-Haus einfach zu teuer."

Im kleinen Saal, der schon am Vormittag voll besetzt ist, spricht Peter Paul Gantzer. Der SPD-Landtagsabgeordnete und Notar, selbst 79, klärt in einem einstündigen Vortrag seine Zuhörer über die Unterschiede von Patientenverfügungen, Betreuungsverfügungen und Vorsorgevollmachten auf - und trifft damit den Nerv der Haarer Senioren. Sie hören zu, schreiben mit, fragen nach: Ist mein Ehepartner automatisch bevollmächtigt? Ist meine Patientenverfügung verpflichtend? Wer kontrolliert den behandelnden Arzt, wenn ich im Koma liege? Kann ich eine Vorsorgevollmacht auf beide Kinder ausstellen oder nur auf eines?

Gantzer weiß, dass es schwierig sein kann, den Durchblick zu behalten, und beantwortet so manche Frage auch mehrmals hintereinander. Am liebsten anhand von Beispielen und mit einem Funken Humor: "Wenn man alleinstehend ist, erteilt man nicht mal eben einem guten Freund eine Vorsorgevollmacht. Genauso wenig dem Neffen, der schon immer scharf auf das Haus ist. Da wäre eine Betreuungsverfügung die bessere Lösung." Vorträge zu Demenz und Alzheimer, Bewegung und Ernährung im Alter sowie Wohnformen für Menschen von 60 Jahren an schließen sich an. Bürgermeisterin Müller verweist auf Projekte in der Gemeinde, die bereits existieren: Etwa den "Tisch der Senioren", den sie 2014 ins Leben rief, und den Elektrobus, der montags bis freitags Senioren zum Einkaufen, Arztbesuchen oder auch einfach ins Café bringt.

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Quelle:
SZ vom 24.09.2018
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