Süddeutsche Zeitung

Landtagswahl: Freie-Wähler-Kandidat Nikolaus Kraus:Unter Kohlköpfen

Lesezeit: 3 min

Als Landwirt ärgert sich Nikolaus Kraus aus Ismaning über die vielen Missverständnisse zwischen Verbrauchern und Bauern. Seine Wurzeln hat der Abgeordnete der Freien Wähler in fünf Jahren im Landtag bewahrt.

Von Irmengard Gnau, Ismaning

Prüfend hebt Nikolaus Kraus einen Kürbis unter den ausladenden Blättern hervor. Tatsächlich, der Hokkaido strahlt schon in einem kräftigen Dunkelorange. Der heiße Sommer macht sich bemerkbar auf dem Acker des Ismaningers. Mit einer geübten Bewegung trennt Kraus die reife Frucht vom Strunk. Auch wenn er längst nicht mehr jeden Tag auf seinen Feldern vorbeischaut, gelernt ist gelernt.

Seit fünf Jahren sitzt Kraus, 53, hauptberuflich für die Fraktion der Freien Wähler im Maximilianeum. Morgens und abends und in den Zeiten zwischen den Terminen als Abgeordneter arbeitet er auf dem eigenen Hof in Ismaning. Vor bald 30 Jahren hat Kraus ihn übernommen, schon die Großeltern betrieben hier eine Landwirtschaft. Kartoffeln, ein wenig Gemüse, Zuckermais baut er heuer an und das Ismaninger Kraut, eine besonders feine Sorte, er ist einer der letzten im Dorf, die sie haben. Dass er Landwirt ist, betont Kraus gerne, und auch politisch setzt er sich vor allem für landwirtschaftsnahe Themen ein, ist Mitglied im Umwelt- und Verbraucherschutzausschuss des Landtags. Den 53-Jährigen ärgert, dass jeder mitredet, wenn es um die Nutzung von Äckern und Feldern geht und gerne auf die Bauern geschimpft wird. "Wir arbeiten auf dem Präsentierteller", sagt er. Dabei fehle es vielen Menschen heute an Grundwissen, was die Natur angeht. Ein großes Anliegen ist ihm deshalb, Kinder und Jugendliche wieder näher heranzuführen an die Ursprünge der Lebensmittel, die viele vielleicht nur mehr vorgeschnitten und plastikverpackt aus dem Supermarkt kennen. In seiner Heimatgemeinde sieht Kraus da gute Ansätze, er unterstützt die jährlichen Naturerlebnistage für Schulkinder, die die Bürgergemeinschaft für Landschaftspflege mit den Bauern initiiert hat.

Wie die Zukunft der Landwirtschaft aussehen wird, ist eine Frage, über die sich mit Kraus trefflich streiten lässt. Am liebsten auf der Holzbank vor seinem Haus, ein wettergegerbtes Erinnerungsstück, hergestellt aus dem ehemaligen Ismaninger Maibaum. Hinter ihm, in der Küche, köchelt das Mittagessen vor sich hin. Am Küchentisch bespricht Kraus auch mal Bürgeranliegen, wenn er die Leute nicht ins Maximilianeum einlädt. Kraus arbeitet selbst viel ökologisch, er ist einer, der auf seinen Feldern auf Glyphosat verzichtet und den Ausstieg weltweit fordert. Trotzdem mag er seine Kollegen nicht an den Pranger stellen. Er würde sich auch nie als Ökobauer anerkennen lassen, sagt Kraus. "Ich schätze die Rückfallebene", wo nötig, setzt er auch Insektizide und Fungizide ein.

"Wir können nicht die ganze Welt mit Bioprodukten ernähren", ist der Ismaninger überzeugt, auch wenn er den Ansatz positiv findet. Zu wenig Produktionsflächen, großer Aufwand für die Produzenten, auf der anderen Seite Lebensmittel, die zwar bio, aber kilometerweit gereist sind. "Ökologie und Ökonomie müssen zusammenpassen", sagt Kraus. Für einen gesunden Lebensmittelkreislauf müsse die Politik kartellrechtlich stärker eingreifen, zum Beispiel derartige Verbindungen wie die von Großhandelsketten wie Edeka und Tengelmann verhindern. Und alle verpflichten, klar zu kennzeichnen, was wo drin ist. Zudem nimmt Kraus die Verbraucher in die Pflicht, ihren Einfluss mehr zu nutzen: "Mir ist es wichtig, dass die Leute bei Lebensmitteln sensibilisiert werden und nicht nur auf den Preis schauen."

Laut wird Kraus selten, auch nicht im Gemeinderat, wo er seit 1996 sitzt. Aber er weiß sich Gehör zu verschaffen und versäumt es auch nicht, kleine Spitzen zu setzen, wenn er meint, die Landwirte könnten übergangen werden. Politisiert hat ihn einst sein Lehrer. Der rief eine Bürgerinitiative ins Leben, als die Bahn drohte, Ismaning durch die S-Bahntrasse zu teilen, und erkämpfte am Ende einen Tunnel für den Ort. "Das war für mich das Aha-Erlebnis: nicht nur meckern, sondern tun", sagt Kraus. Heute ist der Weg auf dem Tunnelpark nach Alfons Ostermaier benannt.

Kraus trat den Freien Wählern bei, seit 2008 ist er für sie im Kreistag, seit 2013 im Landtag, 2009 kam noch der Kreisvorsitz dazu. "Es ging halt so dahin", sagt Kraus und grinst. Er grüßt die am Zaun entlang radelnde Nachbarin, der Bauernortsobmann schaut kurz vorbei, um Plakate für ein Landwirtschaftsfest abzugeben. Auf der Rückseite des Hofs, neben dem kleinen Hofladen, arbeiten Kraus' Frau und Tochter an der Kartoffelsortiermaschine. Auch sein Sohn hilft in den Sommerferien mit. Die Tochter hat gerade ausgelernt und ist nun fest im Familienbetrieb angestellt. Sie hat Interesse, den Hof irgendwann einmal weiterzuführen, wie der Vater erzählt; die Freude darüber klingt durch. Seit seiner eigenen Lehrzeit hat sich die Zahl der Landwirte in Ismaning halbiert, noch knapp 60 gibt es heute. Umso wichtiger, die Landwirtschaft ins Bewusstsein der Verbraucher zu heben, meint Kraus. Bis zur Wahl wird er die Arbeit auf dem Hof aber größtenteils den anderen überlassen. Er wird viel unterwegs sein im Landkreisnorden, um Stimmen werben.

Auf das Direktmandat macht sich Kraus dabei kaum Hoffnung. Mit dem CSU-Kandidaten Ernst Weidenbusch, Stimmkreissieger von 2013, und seiner Ismaninger Gemeinderatskollegin Annette Ganssmüller-Maluche, die 2014 für die SPD bis in die Stichwahl ums Landratsamt kam, hat er starke Konkurrenz. Über die Liste aber könnte es wieder klappen, auf Rang fünf haben ihn die Freien Wähler in Oberbayern platziert. Ein Selbstläufer ist der Wahlkampf deshalb nicht. "Auch die Zweitstimmen sind wichtig", sagt Kraus. Also viel unterwegs sein, Plakate kleben, sich zeigen, mit den Leuten reden. Dass die Landtagswahl heuer erst am 14. Oktober ist, kommt Kraus übrigens ganz gelegen. So geht sich vielleicht für den bekennenden Wiesn-Fan vorher noch der ein oder andere Besuch auf dem Oktoberfest aus.

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Quelle:
SZ vom 20.09.2018
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