Süddeutsche Zeitung

Bürgergeld:Zahl der Wohngeld-Bezieher steigt sprunghaft

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Von Januar an gelten neue Regelungen bei den Sozialleistungen. Im Landkreis München werden deutlich mehr Menschen Unterstützung bei der Bewältigung hoher Mieten und Energiekosten erhalten.

Von Martin Mühlfenzl, Landkreis München

Für viele ist es die Revolution des Sozialsystems in Deutschland, die sehnlichst erhoffte Abkehr von den so verhassten Hartz-Reformen. Anderen gehen die von der Ampel beschlossenen Neuerungen, die zum 1. Januar 2023 in Kraft treten, indes nicht weit genug und bedeuten nur eine Kosmetik der bestehenden Praxis. Auch im Landkreis München werden Tausende Menschen von den Gesetzesänderungen betroffen sein - vor allem die Anzahl der Bezieher des neuen "Wohngeld Plus" wird sprunghaft ansteigen.

Im Münchner Landratsamt gehen die Verantwortlichen in der Wohngeldstelle davon aus, dass es eine Verdreifachung der Anspruchsberechtigten auf Wohngeld geben wird. Bundesweit werden von 1. Januar an etwa zwei Millionen Haushalte Anspruch auf die reformierten Leistungen haben, darunter vor allem Haushalte mit geringem Einkommen, die nach der bisherigen Regelung kein Wohngeld beziehen konnten. Diese aber sollen künftig angesichts steigender Mieten und Energiekosten durch die Reform entlastet werden, erstmals werden dann auch Heizkosten bezuschusst.

Menschen, die bereits Leistungen beziehen, müssen keinen neuen Antrag stellen

Haushalte, die bereits Wohngeld beziehen, müssen von Januar an keinen neuen Antrag auf Wohngeld stellen, für sie findet automatisch eine Neuberechnung der bewilligten Leistungen statt. Sollte sich die Höhe des Wohngeldes ändern, werden die Betroffenen per Wohngeldbescheid darüber informiert. Haushalte, die künftig neu zum erweiterten Kreis der Leistungsbezieher gehören werden, haben die Möglichkeit, das "Wohngeld Plus" bei der Wohngeldstelle des Landratsamtes München zu beantragen - dies funktioniert am einfachsten online über die Homepage der Behörde (www.landkreis-muenchen.de; im Bereich Bürgerservice). Auf der Seite wird zudem ein sogenannter Wohngeldrechner angeboten, mit dem die zu erwartende Unterstützung ermittelt werden kann. Anträge können aber auch weiterhin auf dem Postweg eingereicht werden. Das Landratsamt verweist bereits jetzt auf zu erwartende, längere Bearbeitungszeiten in den ersten Wochen des neuen Jahres aufgrund der steigenden Fallzahlen. Daher bittet die Behörde darum, bei Einreichung eines Antrags auf die Vollständigkeit der notwendigen Unterlagen und Nachweise zu achten.

Von 1. Januar an wandelt sich zudem das bisherige Hartz-IV-System in das neue Bürgergeld um. Zentrale Neuerung ist eine Erhöhung der Regelsätze für Leistungsbezieher. Der Regelsatz für alleinstehende Erwachsene steigt von Januar an auf 502 Euro im Monat, Paare erhalten je Partner künftig 451 monatlich. Nichterwerbstätige Erwachsene im Haushalt der Eltern unter 25 Jahren bekommen dann 402 Euro, Jugendliche im Alter von 14 bis 17 Jahren 420 Euro, Kinder von sechs bis 13 Jahren 348 Euro und Kinder unter sechs Jahren 318 Euro.

Zudem steigen mit der Reform auch die Freibeträge. Leistungsbezieher, die im Monat zwischen 520 und 1000 Euro monatlich verdienen, können künftig mehr von ihrem Einkommen behalten, etwa im Minijob. In diesem Bereich wird der Freibetrag auf 30 Prozent angehoben. Für Schülerinnen und Schüler, Studierende und Auszubildende wird der Freibetrag auf 520 Euro erhöht. Das Schonvermögen wird ebenfalls neu geregelt, Erspartes unter 40 000 Euro muss nicht mehr angetastet werden.

Wer bereits Leistungen nach Sozialgesetzbuch II erhält, muss ebenfalls keinen neuen Antrag beim Jobcenter stellen, die Regelsätze werden automatisch angepasst. Stand November hatten im Landkreis München etwas mehr als 10 000 Menschen in mehr als 5000 Haushalten Anspruch auf Sozialleistungen. Gegenüber dem Vorjahresmonat waren dies bei den erwerbsfähigen Leistungsbeziehern mehr als 35,3 Prozent und bei den nicht-erwerbsfähigen sogar mehr als 43 Prozent. Dies liegt vor allem daran, dass Geflüchtete aus der Ukraine seit Juni nicht mehr als Asylbewerber geführt werden, sondern in den Rechtskreis nach Sozialgesetzbuch II gewechselt sind.

Bei Pflichtverletzungen kann das Jobcenter weiterhin Sanktionen verhängen, etwa wenn ein Meldeversäumnis des Leistungsbeziehers vorliegt. Dies hatte die Union durchgesetzt, andernfalls hätte sie ihre Zustimmung im Bundesrat verweigert.

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